Arbeitsmarktbericht: Rezession vs. Fachkräftemangel
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Aktuelle Zahlen & Fakten zum Arbeitsmarkt in Deutschland
Die Bundesagentur für Arbeit hat aktuelle Zahlen zur Situation am deutschen Arbeitsmarkt veröffentlicht. In einem insgesamt herausfordernden Umfeld sei die Lage im September 2022 weiter stabil:
Der Arbeitsmarkt ist trotz steigender Preise und der Sorge vor Energieknappheit insgesamt weiter stabil. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind zu Beginn der Herbstbelebung gesunken. Die Arbeitskräftenachfrage gibt aber auf sehr hohem Niveau leicht nach.
– Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA)
Der Arbeitsmarktbericht der BA erscheint monatlich und liefert u.a. wichtige Kennzahlen zur Beschäftigungssituation in deutschen Unternehmen sowie zu den folgenden Themen-Clustern:
- Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Erwerbslosigkeit in Deutschland
- Höhe gezahlter Geldleistungen
- Zahl der in Kurzarbeit befindlichen Betriebe
- Situation am Arbeits- und Ausbildungsmarkt allgemein (Angebot und Nachfrage)
- Beschäftigung und Beschäftigungszuwachs
Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Überblick:
Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Erwerbslosigkeit
Im Zuge der beginnenden Herbstbelebung ist die Arbeitslosigkeit im September 2022 gegenüber dem Vormonat gesunken, und zwar um 62.000 auf 2.486.000. Saisonbereinigt hat die Zahl der Arbeitslosen um 14.000 zugenommen. Verglichen mit dem September des vorigen Jahres ist die Arbeitslosenzahl um 21.000 höher.
Die Anstiege hängen laut BA-Bericht auch mit der Erfassung der arbeitslosen ukrainischen Geflüchteten zusammen. Ohne Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit wäre die Entwicklung deutlich besser ausgefallen.
Mehr Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen
Die Zahl der Unterbeschäftigten ist saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 26.000 gestiegen. Dies erkläre sich vor allem durch die zunehmende Teilnahme ukrainischer Geflüchteter an Integrationskursen. Zum Personenkreis der Unterbeschäftigten zählen grundsätzlich Menschen, die an bestimmten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (z.B. AVGS) teilnehmen oder Personen in einem zwischenzeitlichen Sonderstatus (vor allem kurzfristig erkrankte Personen).
Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit und Hilfebedürftigkeit
- Arbeitslosengeld: 698.000 Personen erhielten im September 2022 Arbeitslosengeld, 51.000 weniger als vor einem Jahr.
- Grundsicherung: Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) lag im September bei 3.809.000. Gegenüber September 2021 war dies ein Anstieg um 110.000 Personen.
Kurzarbeit
Nach aktuellen Daten zu geprüften Anzeigen wurde vom 1. bis einschließlich 26. September für 44.000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt.
Inanspruchnahme von konjunktureller Kurzarbeit weiter rückläufig
Aktuelle Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stehen bis Juli 2022 zur Verfügung. So wurde nach vorläufigen hochgerechneten Daten der Bundesagentur für Arbeit in diesem Monat für 99.000 Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt. Damit war die Inanspruchnahme von konjunktureller Kurzarbeit weiter rückläufig.
Erwerbstätigkeit und Beschäftigung
Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lassen weiter einen Aufwärtstrend erkennen, der aktuell jedoch schwächer wird. Die Nachfrage nach neuem Personal habe im September erkennbar nachgelassen, bewege sich aber weiter auf hohem Niveau. Insgesamt 873.000 Arbeitsstellen waren bei der BA gemeldet, 74.000 mehr als vor einem Jahr. Saisonbereinigt hat sich der Bestand der bei der BA gemeldeten Arbeitsstellen gegenüber dem Vormonat um 11.000 verringert.
Wie sieht der Arbeitsmarkt der Zukunft aus?
Im Zusammenhang mit der aktuellen Herbstprognose des ifo-Instituts sollten die Zahlen des Arbeitsmarktes nicht darüber hinwegtäuschen, welche Herausforderungen für kleine und mittlere Betriebe, Gründungsinteressierte und engagierte Arbeitnehmende jetzt anstehen.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Schlüsselkompetenzen
In einem Interview skizziert Professor Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, welche Rahmenbedingungen den Arbeitsmarkt der Zukunft entscheidend beeinflussen werden und wie sich Gründer/-innen, Arbeitgebende und ihre Beschäftigten daran anpassen sollten, wollen sie relevant bleiben.
Die Digitalisierung wird zusammen mit der Dekarbonisierung zu erheblichen Umbrüchen am Arbeitsmarkt führen. Die Zahl der verloren gehenden und der neu entstehenden Jobs kann sich dabei durchaus die Waage halten. Allerdings erfordern die neu entstehenden Jobs spezifische Qualifikationen, und generell setzt sich der Trend zu Jobs mit höheren Qualifikationsanforderungen fort.
– Professor Bernd Fitzenberger, IAB-Direktor
Demografischer Wandel und das ungenutzte Potenzial von Fachkräften
Fitzenberger gibt darüber hinaus Impulse im Kampf gegen den Fachkräftemangel. In einem Schulterschluss aus Politik und Wirtschaft müssten die verantwortlichen Institutionen und Unternehmen noch stärker dafür sorgen, das Potenzial von gut ausgebildeten Menschen, die häufig strukturell benachteiligt sind, wertschöpfend einzubringen:
Der demografische Wandel erfordert, dass zum Ausgleich für die zunehmend aus dem Arbeitsmarkt ausscheidenden geburtenstarken Jahrgänge verstärkt die noch nicht genutzten Potenziale bei Älteren, Frauen und Geflüchteten erschlossen werden. Um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, sind neben einem weiteren Ausbau der Kinderbetreuungsangebote eine schrittweise Eingrenzung der Minijobs und eine Reform des Ehegattensplittings sinnvoll. Des Weiteren sind Weiterbildung und Gesundheitsschutz die Schlüssel, um gerade ältere Personen im Arbeitsmarkt zu halten.
– Prof. Bernd Fitzenberger, Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung
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