Bertelsmann-Studie fordert Abschaffung der privaten Krankenversicherung
Was kritisiert die Bertelsmann Stiftung in ihrer Studie genau?
Im Februar hat die Bertelsmann-Stiftung ihre aktuell heftig diskutierte Studie zum "Geteilten Krankenversicherungsmarkt" vorgelegt. Darin regt sie eine Abschaffung des dualen Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung an. Ihren Vorschlag begründen die Autoren mit einem finanziellen Zugewinn der Sozialversicherung insgesamt, sowie konkret bezifferbaren Erleichterungen in den monatlichen Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Was eine Auflösung der PKV für hier versicherte Selbstständige konkret bedeuten wird und inwiefern aktuelle Privilegien im Zuge des Wegfalls nicht mehr gelten sollten, muss die Dikussion aus Bund, Fachverbänden und Ärztekammern erst noch zeigen.
Die Bertelsmann-Studie kritisiert konkret die aktuelle Aufspaltung der Krankenversicherung in einen gesetzlichen und einen privaten Zweig als Hindernis für gelebte Solidarität. Das Prinzip der Solidarität, dem sich die Sozialversicherung verpflichtet sieht, basiert in den Worten der Autoren "auf einer möglichst breiten Mischung unterschiedlicher Risiken und Leistungsfähigkeiten. Nur wenn Starke und Schwache sich zusammentun, um die Risiken zwischen Gesunden und Kranken auszugleichen, könne eine tragfähige Solidargemeinschaft entstehen und erhalten werden." Die aktuelle Form der Zweiteilung werde dieser Maßgabe allerdings nicht gerecht und ließe sich nur historisch erklären.
Im Hinblick auf die Herausforderungen des neuen Jahrzehnts unter besonderer Berücksichtigung des demographischen Wandels befürchten die Autoren eine noch stärker angespannte Finanzlage der Kranken- und Pflegeversicherung. Die vorliegende Studie soll deshalb ein ernsthafter Diskussionsanstoß sein, um "die Solidargewinne in der Gesellschaft durch eine stärkere Risikomischung vermehren zu können." Das bedeutet im Kern nichts anderes als eine Abschaffung des dualen Systems, so wie es Versicherte jetzt kennen.
Dualität von GKV und PKV bedeutet "erheblichen Solidarverlust"
Die Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ziehe laut Bertelsmann-Stiftung "erhebliche Solidarverluste" nach sich, die sich mit vorliegender Studie erstmals hinsichtlich der Risikoverteilung für Erkrankungshäufigkeiten, aber auch konkret finanziell belegen ließen. Die Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung würde wieder dazu führen, dass sich alle in Deutschland Versicherten gemeinsam am Solidarausgleich beteiligten.
Wenn alle Bundesbürger gesetzlich versichert wären, würde die Gesetzliche Krankenversicherung jährlich ein finanzielles Plus in Höhe von rund neun Milliarden Euro erzielen. Der Beitragssatz könnte entsprechend je nach Szenario um 0,6 bis 0,2 Prozentpunkte sinken. Wenngleich zweifellos in beiden Fällen von einem finanziellen Zugewinn bzw. einer Absenkung zu sprechen ist, die konkrete Höhe der Einsparungen bzw. Zugewinne bleibt eng geknüpft an die Kompromissbereitschaft im Gesundheitswesen selbst, denn Ärzte und Kliniken profitieren von gesicherten und attraktiven PKV-Honoraren.
Wegfall der PKV bringt 145 EUR Beitragseinsparung pro Jahr
Jedes momentan in der GKV versicherte Mitglied und sein Arbeitgeber könnten laut Bertelsmann-Studie zusammen pro Jahr durchschnittlich 145 Euro an Beiträgen sparen, wenn Gutverdiener, Beamte und einkommensstarke Selbstständige in die GKV einzahlen würden. Die Autoren schränken diese Zahl weiter ein, würde man der Ärzteschaft entgegen kommen und die durch einen Wegfall der PKV anfallenden Honorarverluste ausgleichen. Dann läge die Einsparung bei (nur) noch 48 EUR jährlich.
Müssen Selbstständige jetzt einen Zwangswechsel befürchten?
Die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie wurden sowohl vom PKV Verband als auch der Bundesärztekammer bereits scharf kritisiert.
Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt erklärte die Studie kurzum als "Griff in die ideologische Mottenkiste" und "offenbar in Unkenntnis des jüngsten Gutachtens der Wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem der Bundesregierung (KOMV) verfasst. Die KOMV hatte einer Vereinheitlichung der Systeme einstimmig eine Absage erteilt. Stattdessen spricht sie sich für den Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems sowie für Reformen bei Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV) aus. Die Bertelsmann-Stiftung sollte sich an der Diskussion über praxistaugliche Lösungen beteiligen, statt ideologisch motivierte Debatten von vorgestern zu führen."
Bevor Selbstständige also den Zwangswechsel befürchten müssen bzw. sich konkrete Reformen abzeichnen, werden weitere Debatten im Bundestag und einschlägigen Gremien erst noch folgen müssen.
Die vollständige Studie "Geteilter Krankenversicherungsmarkt" hat die Bertelsmann-Stiftung online zum Download bereitgestellt.
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