· Digitales Unternehmertum

Digitalisierung praktisch gestalten: Change Management für KMU

Wo liegen Hemmnisse der Digitalisierung in deutschen Unternehmen? Welche Management-Techniken können KMU für Ihre digitale Transformation nutzen? Wir vermitteln einen Überblick relevanter Modelle und Methoden.

Change Management

Monitoring-Bericht Wirtschaft Digital 2018: Zahlen und Fakten

Die Studie des BMWi zum Digitalisierungsgrad in deutschen Unternehmen untersucht die digitale Geschäftstätigkeit, den Digitalisierungsgrad unternehmensinterner Prozesse und die Nutzungsintensität digitaler Technologien und Dienste und fasst die daraus gewonnenen Ergebnisse im sogenannten Wirtschaftsindex Digital, einer Zahl zwischen 0-100, zusammen.

Zu diesem Zweck wurden branchendivers Entscheider aus 1061 Unternehmen befragt. Die Ergebnisse der Befragung sind repräsentativ für 11 Branchen:

  • Maschinenbau
  • Fahrzeugbau
  • chemisch-pharmazeutische Industrie
  • das sonstige verarbeitende Gewerbe
  • IKT-Branche
  • Energie- und Wasserversorgung
  • Handel
  • Verkehr und Logistik
  • Finanz- und Versicherungswirtschaft
  • Wissensintensive Dienstleister
  • Gesundheitswesen

Branchenübergreifend bezifferten die Autoren den Digitalisierungsgrad in deutschen Unternehmen im Mittelfeld mit insgesamt 54 Punkten und damit unverändert zum Vorjahresergebnis. Einige Branchen konnten dies jedoch deutlich toppen. So finden sich unter den Top-3 der Digital Fortgeschrittenen die IKT-Branche (74 Punkte), die Gruppe der wissensintensiven Dienstleister (63 Punkte) und die Finanz- und Versicherungsunternehmen (54 Punkte). Im digitalen Mittelfeld mit Werten zwischen 41 bis 60 Punkten ordnet sich die größte Zahl der befragten Unternehmen ein (34 %).

Diese soliden Kennzahlen sollten jedoch nicht über die gleichsam große Zahl derer hinwegtäuschen, die als digitale Anfänger gelten. Mehr als ein Viertel der Unternehmen erreichte hier nur noch Werte zwischen 21 und 40 Punkten mit deutlich erkennbaren Unterschieden zwischen den einzelnen Branchen.

Während in der Dienstleistungsbranche besonders eifrig digitalisiert wird und die entsprechenden Unternehmen in der Mehrzahl (34%) zu den Digital Fortgeschrittenen zählen, hinkten besonders die Industrieunternehmen deutlich hinterher und müssen sich mit einem Platz in der Kategorie der Unternehmen mit dem geringsten Digitalisierungsgrad begnügen.

Wo liegen die Hemmnisse digitaler Transformation in deutschen Unternehmen?

Als maßgebliche Ursachen für eine nur langsame Integration digitaler Prozesse in den Unternehmen nannten die Befragten hauptsächlich die folgenden Gründe

  1. Mangelnde Breitbandversorgung (43% der befragten Unternehmen)
  2. Scheu vor dem Zeitaufwand (40% der Unternehmen)
  3. Fehlendes Wissen der Mitarbeiter (36%)
  4. Mangel an IT-Kräften (30%)

Dies steht im Widerspruch zur wachsenden Zahl derer, die zweifellos sagen, dass Digitalisierung “sehr wichtig” bzw. “äußerst wichtig” ist. Waren dies im Jahr 2017 noch 36% der Befragten, sind es im Jahr 2018 bereits 46%.

Insbesondere die Punkte 2-4 der vermeintlichen Ursachen können jedoch durch ein adäquates Change-Management im Unternehmensalltag entkräftet werden und den Veränderungsprozess im Unternehmen systematisch begleiten.

Change Management Methoden für KMU: Veränderungen steuern mit dem richtigen Mindset

Change Management Modelle beschäftigen sich mit Veränderungsprozessen in Unternehmen und versuchen diesen anhand von Phasenmodellen einen Handlungsrahmen zu geben. Dies ist wichtig, denn bis zu zwei Drittel geplanter Änderungsvorhaben in Unternehmen scheitern, werden abgebrochen oder erreichen nicht das avisierte Ziel. Change Management Modelle können dir einen Leitfaden für deinen unternehmerischen Wandel an die Hand geben.

Die Vorteile von Change Management im Überblick:

  • Change Management Modelle helfen dir bei der Ordnung, Orientierung und Kommunikation mit allen Beteiligten innerhalb deines digitalen Transformationsprozesses.
  • Zwischenziele können formuliert, das Erreichte reflektiert und neue Schritte adäquat geplant werden.
  • Change Management bezieht den psychologischen Faktor ein und definiert typische Verhaltensweisen, wie Menschen radikale Veränderungsprozesse wahrnehmen und auf sie reagieren (Mitarbeiter-Motivation)

Die menschliche Emotionalität in Transformationsprozessen: Das 7-Phasen-Modell von Richard K. Streich

Das 7-Phasen-Modell von Richard K. Streich beschreibt typische Verhaltensweisen von Menschen in radikalen Wandlungsprozessen. Es kann dir helfen, deine Mitarbeiter im Zuge der digitalen Transformation besser zu verstehen und zu führen. Folgende Verhaltensweisen und Reaktionen solltest du kennen und steuern:

Phase 1: Schock/Überraschung “Das haben wir immer so gemacht!”

Mitarbeiter erfahren das erste Mal vom anstehenden Wandel und dass ihre bisherigen Arbeitsweisen nicht mehr zeitgemäß sind. Schockreaktionen bis hin zu sinkender Produktivität können die Folge sein.

Phase 2: Ablehnung

Die Angst, gewohnte Strukturen aufgeben zu müssen zugunsten einer für den betroffenen Mitarbeiter noch neuen Ordnung kann zu Ablehnung führen, die im Kollegium schnell um sich greift.

Phase 3: Rationale Einsicht

Mitarbeiter erkennen die Notwendigkeit der Veränderung an, agieren aber noch halbherzig.

Phase 4: Emotionale Akzeptanz

Die tiefere Einsicht in Prozesse der anstehenden Veränderung lässt auch die Akzeptanz für diese wachsen. Eine grundlegende Neuorientierung kann beginnen und neue Fertigkeiten manifestieren sich.

Phase 5: “Wir können es ja mal versuchen”

"Learning by doing" begleitet den anschließenden Prozess einer tieferen Interaktion mit den neuen Methoden und Techniken.

Phase 6: Erkenntnis “Es funktioniert. Das hätte ich gar nicht gedacht. Toll.”

Ist der Prozess der Veränderung erst einmal an diesem Punkt angelangt und es stellen sich die ersten praktischen Erfolge ein, weicht die anfängliche Skepsis einem sukzessiven Wohlwollen.

Phase 7: Integration “Das ist doch selbstverständlich”

Neue Technologien und Abläufe sind voll integriert im Unternehmensalltag und alle Mitarbeiter produktiv, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

Die auf diesen grundlegenden Einsichten aufbauenden Change Management-Modelle unterscheiden sich in ihren Methoden jedoch teils deutlich. Wie diese im Einzelnen die Flexibilität in Unternehmen fördern wollen, stellen wir dir anhand von 3 Beispielen vor.

Erfolgreiche Change-Management-Modelle in der Praxis

8-Phasen-Modell von Kotter

Harvard-Professor John P. Kotter hat in seinem 8-Phasen Modell jene elementaren Schritte festgehalten, die seiner Meinung nach notwendig sind, damit ein unternehmerischer Wandlungsprozess von Erfolg gezeichnet ist.

  1. Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen unter Führungskräften und Mitarbeitern
  2. Führungsteam aufbauen und richtungsweisende Personen stärken
  3. Definition der unternehmerischen Vision, die mit der Veränderung erreicht werden soll; dadurch wird eine kollektive Zugkraft im Kollegium erreicht und Sinnhaftigkeit demonstriert
  4. Breitenkommunikation der Vision und avisierten Veränderungen vorantreiben
  5. Bevollmächtigung auf möglichst breiter Basis schaffen, um Mitarbeiter zu motivieren nach der Vision zu handeln
  6. Kurzfristige Ziele und Erfolge sicherstellen, um Motivationsfluss zu gewährleisten
  7. Erreichte Ziele und Erfolge sichern und die jeweils nächsten Schritte kontinuierlich angehen
  8. Erreichte Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern

Kotters Modell betont die Wichtigkeit gut ausgebildeter Führungskräfte, die den Wandlungsprozess immer begleiten sollten, vernachlässigt allerdings durch seinen konsequenten Top-down-Ansatz, dass genauso umgekehrt sinnvolle Initiativen von jedem Mitarbeiter im Team stammen können und berücksichtigt werden sollten (Bottom-up-Prinzip).

5-Phasen-Modell nach Wilfried Krüger

Das 5-Phasen-Modell nach Wilfried Krüger gilt ebenfalls als erfolgreiches Change-Management Modell für unternehmensinterne Wandlungsprozesse. Es baut auf seinem Vorgänger Kotter auf und erlaubt zusätzlich Flexibilität zwischen den einzelnen Phasen, so dass dynamisch auf mögliche Hindernisse reagiert werden kann und Rückschritte erklärbar bleiben.

Das 5 Phasen Modell Krüger setzt sich aus folgenden fünf Stufen zusammen:

  1. Initialisierung
  2. Konzeption
  3. Motivation
  4. Umsetzung
  5. Verstetigung

Change Management Modell der „Lernenden Organisation“

Das Change Management Modell der „Lernenden Organisation“ fokussiert Lernen und Wissen als zentrales Element eines kontinuierlichen Entwicklungsprozesses in Unternehmen und Organisationen. Dies bedeutet auch, dass weniger starre Phasen definiert werden müssen, denn der Wandel ist bereits im Selbstverständnis des Unternehmens verankert und wird als solcher von innen heraus angegangen und nicht weil externer Druck dazu zwingen würde.

Kennzeichnend für lernende Unternehmen und Organisationen sind folgende wesentlichen Merkmale

  1. Mitarbeiter werden zum Lernen und zur Entfaltung ihres Leistungspotentials und zur Eigeninitiative ermutigt und zwar über formale Zuständigkeiten hinaus.
  2. Diese Art der Lernkultur wird auf Kunden, Lieferanten und andere Stakeholder erweitert. Ein Netzwerk entsteht, das die gewünschte Veränderung in den Geschäftsalltag nahtlos integriert.
  3. Prozesse des individuellen und organisatorischen Lernens sind nicht Teil eines avisierten Wandels, sondern Unternehmenskultur.

Digitalisierung und Change Mangement: Fazit

Der Monitoring-Bericht Wirtschaft Digital 2018 zeichnet bereits deutlich mehr digitale Expertise in deutschen Unternehmen, als dies noch im Zuge früherer Befragungen der Fall war. Allerdings erkennen immer noch ein Viertel der Unternehmen gar keine Notwendigkeit für eine entsprechende Anpassung Ihrer Systeme und Arbeitsweisen an unbestritten kommende Veränderungen durch neue Technologien (KI) und Märkte (IoT). Diese Unternehmen (und zweifellos alle anderen) können durch Change-Management Modelle Ihr Mindset positionieren und Mitarbeiter entsprechend führen.

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Über den Autor
Kathleen Händel

Kathleen Händel

Kathleen schreibt seit 2018 im Magazin von Unternehmenswelt und Zandura über die wichtigsten Business-Themen & Trends für Gründer & Unternehmer. Zuvor war Kathleen als Redakteurin für die Social Startup-Szene, verschiedene Stiftungen und Kommunikationsagenturen tätig.

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