Neue Arbeitswelten: Coworking Spaces für KMU
Das Wichtigste in Kürze
- Coworking als flexibles Arbeitsmodell wird immer attraktiver
- European Coworking Hotspot Index 2019 listet zwei deutsche Metropolen unter den Top 10 im Gesamtranking europäischer Coworking Metropolen (München-Platz 6; Berlin-Platz 7)
- große Anbieter wie WeWork haben Coworking in den europäischen Metropolen industrialisiert
- veränderte Lebens- und Arbeitsmodelle eröffnen völlig neue Zielgruppen
- große Firmen und KMUs arbeiten an knapp bemessenen Metropolstandorten, Pendler und Freiberufler entdecken Coworking Spaces in ländlichen Regionen
- flexible Arbeitsorte und -zeiten sind die stärkste Rekrutierungsmaßnahme von KMUs (44%) zur Fachkräftegewinnung laut aktueller Erhebung von KfW Research
Coworking Spaces in Metropolregionen als attraktive Gewerbeimmobilien
Der in Q2 2019 von Cushman & Wakefield Research veröffentlichte European Coworking Hotspot Index unterstreicht die wachsende Bedeutung von Coworking als flexibles Arbeitsmodell im gesamteuropäischen Vergleich. Ziel der Studie ist die Identifizierung des nächsten „Coworking Hotspot“ unter Berücksichtigung von verschiedenen Faktoren wie Marktgröße (Büroflächenbestand; lokale Wirtschaftsleistung), Geschäftsumfeld (regionale Büromieten; marktübliche Mietvertragsdauer), Arbeitskräftepotential (Anzahl an IT- und Kommunikations-Fachkräften; Anzahl Hochschulabsolventen; Grad der unternehmerischen Beschäftigung) und zusätzlichen Standort-Katalysatoren (z.B. Anzahl an Accelerators in der lokalen Startup-Szene; Pro-Kopf-Ausgaben für Forschung und Entwicklung).
Deutschland in der TopTen der Coworking Hotspots – 6. Platz für München, 7. Platz für Berlin
Berlin gilt im gesamteuropäischen Vergleich zwar als StartUp-Metropole No. 1 und konnte sich in den drei Kategorien „Marktgröße“, „Geschäftsumfeld“ und „Katalysatoren“ im vorderen und mittleren Feld positionieren, wurde im Bereich „Arbeitskräftepotential“ jedoch abgeschlagen. Im gesamteuropäischen Vergleich fehlen der Hauptstadt nach wie vor Fachkräfte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Berlin fehlt es außerdem an großen IT- und Telekommunikationsunternehmen sowie an Hochschulabsolventen mit Schwerpunkt IKT bzw. MINT-Fächer.
Derlei Probleme kennt die bayrische Landeshauptstadt nicht. München ist attraktiver Standort für Großkonzerne wie Alibaba, Apple und Google sowie zahlreiche kleinere Technologiefirmen. München verfügt mit knapp 20,6 Millionen Quadratmetern Bürofläche außerdem über die größten Büroflächenbestände unter den deutschen Top-Märkten. Damit sichern sich die Bayern knapp mit nur zwei Punkten Vorsprung (118 Punkte) vor Berlin (116 Punkte) den 6. Platz der europäischen Coworking-Metropolen.
Coworking Spaces stärken Unternehmernetzwerke und fördern Mentoring ohne Mehrkosten
Wurden agile Arbeitsräume in der Vergangenheit größtenteils von aggregierten Unternehmern und Freiberuflern genutzt, verändert sich die Zielgruppe zusehends. Immer mehr kleinere Unternehmen und mittelständische bis größere Unternehmen entdecken die Vorzüge voll ausgestatteter Büroflächen zu kurzen Mietlaufzeiten an attraktiven Standorten mit einem vielschichtigen Netzwerk-Angebot. Es sind längst nicht mehr nur techaffine oder kreative Gründer und Freiberufler, immer mehr KMUs schätzen die flexiblen Mietlängen der Anbieter und die Möglichkeit, je nach Bedarf sich räumlich zu vergrößern oder zu verkleinern. Welcher klassische Vermieter bietet seinen Business-Kunden außerdem ein Rundum-Sorglos-Paket aus kompletter Infrastruktur, Verköstigungsangebot, repräsentativen Eventflächen mit teils Cateringoption u.v.m.?
Möglich wird dies, da die einzelnen Coworking-Anbieter günstig Flächen zu langen Laufzeiten von den Immobilienbesitzern anmieten. Nach Ausstattung und Bereitstellung der Service-Infrastruktur vermieten sie diese dann zu höheren Preisen bei kürzeren Laufzeiten.
Mein Schreibtisch am Waldrand – Coworking auf dem Land
Das prinzipielle Bedürfnis nach einem ausgeglichenen Verhältnis von Leben und Arbeit, das Coworking Spaces bereits in urbanen Gebieten zum Erfolg verholfen hat, motiviert mittlerweile völlig neue Zielgruppen. Wer nicht ohnehin ein Freund von Wiesen und Feldern ist, den treiben knappe bezahlbare Wohnflächen in grünen Randlagen immer mehr in ländliche Regionen. Hier gibt es zwar viel Ruhe, aber davon eben reichlich. Die erhoffte Work-Life-Balance will sich im täglichen Pendelverkehr nicht so recht einstellen. Was tun, wenn dann noch die CO2-Steuer kommt? Coworking Spaces in ländlichen Regionen richten sich an genau diese Zielgruppe und bieten gleichzeitig kleineren Städten und Kommunen einen Mehrwert. Sie können der Fachkräfteabwanderung vorbeugen, Kaufkraft an ihren Standorten bündeln und steigern generell die Attraktivität ihrer Ortschaften.
Thinkfarm Eberswalde, Alpen.Work und CoWorkLand
Dass Coworking Spaces auf dem Land funktionieren, beweist z.B. die Thinkfarm Eberswalde, die der Berater und Rechtsanwalt Sven Gumbrecht gegründet hat. Er kehrte den steigenden Mieten Berlins bereits vor einigen Jahren den Rücken, nicht aber seinem Kundenstamm in der Hauptstadt. Um nicht jeden Tag pendeln zu müssen, gründete er die „Thinkfarm“ als agile Schnittstelle beider Welten. Zahlreiche Freiberufler – Texter, Graphiker, Berater und Anwälte – nutzen diese mittlerweile mit Gumbrecht gemeinsam.
In Garmisch-Partenkirchen lädt das Alpen.Work „alle, die ihre Welt im Laptop tragen“ in ein ehemaligen Autohaus.
In Norddeutschland untersucht das Projekt CoWorkLand seit 2018 mit PopUP-Coworking Spaces in unterschiedlichen Regionen, welcher Bedarf konkret in den Kommunen besteht. Ziel des Projekts ist es neue, produktive Netzwerke zwischen Wissensarbeitern und Handwerkern, Landwirten und anderen Selbständigen auf dem Land zu etablieren. Diese Netzwerke sollen dann innovative und nachhaltige Lösungen für die Energiewende, Agrarwende, postfossile Mobilität oder neue Wohnkonzepte entwickeln. Dies entspricht der aktuellen Einschätzung des RKW-Kompetenzzentrums zu den besonderen Gründungschancen in ländlichen Regionen und wie diese gefördert werden können.
Einen ganzen Gutshof können Coworker vor den Toren von Bad Belzig in Brandenburg nutzen. Das Coconat ist denn auch kein „schnöder“ Coworking Space, sondern firmiert als „Workation Retreat“. Das Projekt verknüpft seit zwei Jahren Hotelbetrieb und agile Arbeitsflächen zu einem tragfähigen Konzept. Ruhe, ein Schreibtisch mit Gartenzugang und trotzdem schnelles Internet haben das Coconat und Bad Belzig mittlerweile überregional bekannt gemacht. So ist es nicht selten, dass neu Zugezogene in der Region das Coconat als einen Beweggrund für ihre Wahl benennen.