Konzernfreie Twitterwelt
Berlin (ddp.djn). Mehr als 20 Millionen Nutzer hat der populäre Kurznachrichtendienst Twitter weltweit. Doch deutsche Unternehmen sind bisher kaum präsent. Nur rund sechs Prozent der Aktiengesellschaften in Deutschland nutzen Twitter für ihre Unternehmenskommunikation, wie eine Studie der Kölner Agentur Net-Federation im April offenlegte. Dabei bietet der Internetdienst die Möglichkeit, interaktiv mit den Kunden zu kommunizieren.
Bei Twitter können angemeldete Nutzer über das Internet oder ihre Handys kostenlos Kurznachrichten bis zu einer Länge von 140 Zeichen veröffentlichen. Gleichzeitig lassen sich die Meldungen und Link-Tipps anderer Nutzer verfolgen. Im Juni gab es laut der Beratungsagentur Webevangelisten rund 125 000 deutschsprachige Twitter-Accounts. Das Wachstum des Portals ist beachtlich: «Zuletzt hat sich die Zahl der deutschen Twitterer alle drei Monate verdoppelt, bis Weihnachten kann man also schon realistisch mit mindestens 300 000 Nutzern hierzulande rechnen», prognostiziert Thomas Pfeiffer, Berater für «Social Media» der Agentur.
Unter den Nutzern finden sich jedoch nur wenige Firmen. Die Deutsche Bahn verwendet den Dienst, um über Verspätungen und Baustellen zu informieren. Andere zeigen sich persönlicher und verstehen Twitter als Plattform für Online-Gespräche: Der Cerealienanbieter MyMüsli etwa diskutiert mit seinen Kunden über mögliche neue Sorten für das Sortiment. Bei der Barkette Sausalitos können die Leser des Twitter-Accounts den Inhalt von bestimmten Cocktails erraten. Das schafft Nähe - und im besten Fall auch Sympathie auf Kundenseite.
In den USA ist Twitter bereits ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation von Unternehmen. Die Kabelgesellschaft Comcast zum Beispiel nutzt Twitter als Ergänzung zum Kundendienst, geht auf Beschwerden ein, bietet Hilfe an und kommuniziert direkt mit dem Kunden. Der Computerhersteller Dell verbreitet über seinen Account Sonderangebote und Preisnachlässe - exklusiv für seine mittlerweile über 900 000 Leser. Damit hat Dell eigenen Angaben zufolge Umsätze von über drei Millionen Dollar generiert und so den Beweis geliefert, dass sich mit Twitter als Unternehmen auch Geld verdienen lässt.
Dennoch halten sich die deutschen Unternehmen zurück. «Vielen fehlt die Medienkompetenz für diesen neuen Kanal, deswegen ist eine gewisse Unsicherheit zu spüren», erklärt Ulrike Röttger, Professorin für Public Relations an der Universität Münster. Ein Blick in die so genannten Twittercharts bestätigt diesen Eindruck. Die Beratungsagentur Webevangelisten hat im Juli zum zweiten Mal ein Ranking veröffentlicht, das die meistgelesenen Nutzer zeigt. «In den Top 100 findet sich kein Konzern», fasst Pfeiffer zusammen.
Auch für Verbraucher kann Twitter ein machtvolles Instrument sein. Kritik oder Lob für bestimmte Marken oder Unternehmen verbreiten sich über den Kurznachrichtendienst innerhalb weniger Minuten. «Jedes größere Unternehmen sollte wissen, ob und wie über seine Marken oder Produkte auf Twitter gesprochen wird», sagt Pfeiffer.
Viele Unternehmen sichern sich allerdings nicht einmal ihren eigenen Namen in der Twitter-Welt. «Das ist aber sehr wichtig, selbst wenn man dort nicht aktiv werden will», betont Pfeiffer. Sonst geht es Unternehmen so wie dem Safthersteller Pago, dessen geeignetste Twitter-URL twitter.com/pago nun bereits von einer Nutzerin aus den USA belegt ist. Lediglich für ein Drittel von 110 börsennotierten Unternehmen aus Deutschland existiert laut Studie von Net-Federation bisher ein Twitter-Account, der dem Unternehmensnamen entspricht.
«Wenn Unternehmen sich bei Twitter glaubwürdig auf Gespräche mit den Kunden einlassen, kann es ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung sein», bilanziert die Kommunikationswissenschaftlerin Röttger. Unternehmen können den Kunden einen Mehrwert bieten, indem sie über Twitter auf Fragen und Wünsche eingehen. Den Kunden wiederum wird eine weitere Kontaktmöglichkeit angeboten, die über die üblich Service-Hotline hinausgeht.
(ddp)