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Streit um Urlaubsverzicht und Lohnkürzungen

Arbeitgeberforderungen nach Urlaubsverzicht und Lohnsenkungen angesichts der Wirtschaftskrise sorgen weiter für Diskussionsstoff. Während Experten führender Wirtschaftsforschungsinstitute die Vorschläge am Montag unterstützten, übten der «Wirtschaftsweise» Peter Bofinger und die Gewerkschaften heftige Kritik.

Passau (ddp). Arbeitgeberforderungen nach Urlaubsverzicht und Lohnsenkungen angesichts der Wirtschaftskrise sorgen weiter für Diskussionsstoff. Während Experten führender Wirtschaftsforschungsinstitute die Vorschläge am Montag unterstützten, übten der «Wirtschaftsweise» Peter Bofinger und die Gewerkschaften heftige Kritik. «Wir haben zu wenig Arbeit und führen Kurzarbeit ein, um die Leute in Beschäftigung zu halten. Wenn sie jetzt länger arbeiten sollten, wäre das kontraproduktiv», kritisierte Bofinger.

Der Präsident des Bundesverbands mittelständischer Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, hatte die Beschäftigten am Wochenende in einem Zeitungsinterview dazu aufgerufen, wegen der Krise auf einen Urlaubstag zu verzichten. «Wer einen Urlaubstag opfert, sichert seinen Arbeitsplatz. Und er hilft seinem Betrieb, die Krise besser zu überstehen», sagte Ohoven. Handwerkspräsident Otto Kentzler empfahl zudem längere Arbeitszeiten als Weg aus der Krise. Bereits in der vergangenen Woche hatte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt Lohnsenkungen in der kommenden Tarifrunde in Aussicht gestellt.

Bofinger kritisierte, die Forderung Hundts gehöre «zu den unsinnigen Vorschlägen». 1930 seien die Löhne für Facharbeiter in Deutschland um 20 Prozent gesenkt worden. «Das Ergebnis dieser Politik ist bekannt. Deutschland in den dreißiger Jahren ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie man es nicht machen sollte», warnte der «Wirtschaftsweise» mit Blick auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933.

DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki nannte die Aussagen Ohovens und Kentzlers «dreist» und forderte, die Kosten der Krise nicht auf die Beschäftigten abzuwälzen. Mit der Ausweitung der Kurzarbeit gebe es für die Betriebe ein gutes Instrument, die drastischen Auftragsrückgänge zu überbrücken und gleichzeitig viele Menschen vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. Außerdem müsse die Binnennachfrage gestärkt werden. «Lohnverzicht - durch welche Hintertür er auch immer durchgesetzt werden soll - wäre dafür Gift», betonte Matecki.

Dagegen sagte der Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch, seit Mitte der 1990er Jahre seien durch Lohnzurückhaltung 900 000 Arbeitsplätze gesichert worden. »Lohnverzicht sichert in Krisenzeiten ganz klar Arbeitsplätze und schützt vor Entlassungen. Es macht Arbeit für die Unternehmen billiger und verbessert die Gewinnsituation. Dadurch können die Firmen wieder mehr investieren«, sagte Lesch.

Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) äußerte sich ähnlich. »Um Jobs zu retten, machen Lohnkürzungen Sinn. Es wäre geradezu fahrlässig von Unternehmen, in einer Schieflage diesbezüglich nicht zu reagieren«, sagte Schneider.

Der Konjunkturchef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Roland Döhrn, sprach sich für niedrigere Löhne in Einzelfällen aus. «Lohnverzicht kann in Unternehmen, in denen ein absehbares Tal überbrückt werden muss, Sinn machen. Beispielsweise ist bei Maschinenbau-Firmen Lohnverzicht denkbar, um Jobs zu sichern und die Situation zu stabilisieren», sagte Döhrn.

(ddp)

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