Purpose statt Profit: So gründest du mit mehr Sinn
Dein Businessplan mit Purpose
Gemeinsam stark: Verantwortungseigentum kommt von Verantwortung
Mehr als 600 Unterzeichner aus Wissenschaft und Wirtschaft fordern aktuell die Einführung einer neuen Rechtsform - die Verantwortungseigentumsgesellschaft kurz VE-GmbH. Einen entsprechenden Aufruf übergaben die Initiatoren rund um die Stiftung Verantwortungseigentum Anfang Oktober in Berlin an Vertreter der Parteien CDU, SPD, Grüne und FDP. Ziel ist die Schaffung eines juristischen Rahmens zur Gründung und Führung eines Unternehmens in Verantwortungseigentum oder eines Purpose Unternehmens.
Was bedeutet Verantwortungseigentum?
Purpose Unternehmer stellen Sinnhaftigkeit und Verantwortung in die Mitte ihres unternehmerischen Handelns, nicht Gewinnmaximierung. Gesellschafter eines in Verantwortungseigentum geführten Unternehmens können sich keine Unternehmensgewinne ausschütten. Erzielte Gewinne bleiben verpflichtend im Unternehmen. Anteilseigner dürfen sich nur eine angemessene Vergütung auszahlen.
Alle Eigentümer agieren in treuhänderischer Funktion. Das Unternehmen ist kein Spekulationsobjekt von Investoreninteressen. So soll Vermögen im Unternehmen gebunden bleiben und das Unternehmen selbst dauerhaft unabhängig.
Verantwortungseigentum bedeutet in erster Linie Verantwortung. Gemeinsam in gegenseitigem Vertrauen und Wertvorstellungen nachhaltige Werte zu schaffen, zeichnet die Motivation von Purpose Unternehmern und ihren Mitarbeitern aus.
Wie kann ich ein Purpose Unternehmen gründen?
Als Social Entrepreneur kannst du einen Verein, eine Genossenschaft, eine klassische GmbH oder ihre gemeinnützige Variante die gGmbH gründen. Alle genannten Formen haben Vor- und Nachteile für Purpose Unternehmer. Eine eigene Rechtsform fehlt bislang.
Zu den wohl bekanntesten und ältesten Purpose Unternehmen in Deutschland zählt Automobilzulieferer Bosch. Das schwäbische Traditionsunternehmen nutzt ein Stiftungskonzept, um seinen wirtschaftlichen Erfolg an den Unternehmenszweck gesellschaftlicher Wertverpflichtung zu knüpfen. Hierfür hält die Robert-Bosch-Stiftung rund 92 Prozent an der Robert-Bosch GmbH.
Eine eigene Stiftung zu gründen und dauerhaft zu führen, ist für viele engagierte Gründer und kleine Unternehmen allerdings schlicht zu teuer.
Wann kommt die VE-GmbH als neue Rechtsform?
Um die Situation für Gründer und Start Ups zu verbessern, haben Vertreter der Stiftung Verantwortungseigentum Anfang Oktober in einer Live-Veranstaltung aus der Berliner Repräsentanz der Robert-Bosch-Stiftung einen Aufruf an Vertreter der Politik übergeben, darunter die Nochvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Grünen-Chef Robert Habeck. Insgesamt mehr als 600 Unterzeichner fordern die Einführung der VE-GmbH und entsprechende Gesetzesänderungen für Purpose Unternehmer.
Die Stiftung Verantwortungseigentum um Co-Gründer und Vorstandsmitglied Armin Steuernagel setzt sich maßgeblich dafür ein, dass Purpose Unternehmen die rechtliche Anerkennung erfahren, die sie brauchen.
Rechtswissenschaftler und Wirtschaftsweise unterstützen die VE-GmbH
Die Initiative erfährt prominente Unterstützung. Zu den Mitzeichnern zählen u.a. der Robert-Bosch-Enkel Christof Bosch, die Multiaufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner (u.a. Deutsche Börse AG, Linde AG), der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto Group, Michael Otto, die führenden Wirtschaftsforscher Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft und Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Die GmbH für Purpose Unternehmen in Verantwortungseigentum kurz VE-GmbH sei eine "pfiffige Idee, nämlich die Verantwortung, das Eigentum in der freien Wirtschaft zu verstetigen."
Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft sieht die neue Rechtsform außerdem als wichtige Ergänzung zu den bereits bestehenden Rechtsformen in Deutschland:
"Denn die Aufgabe, die man sich hier genommen hat, ist ja nicht alle Unternehmen auf diese eine Form zu reduzieren, sondern den vorhandenen verschiedenen Rechtsformen, der Aktiengesellschaft, der GmbH, der OHG, etwas hinzuzusetzen, was einem besonderen Gedanken folgt. Also insofern, glaub ich, ist es im Wettbewerb der Modelle ein wichtiger Beitrag und kann hoch attraktiv sein."
Es ist ein Angebot an die Freiheit, vermehrt die Freiheit des Unternehmers
Paul Kirchhof, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D., erklärte im Rahmen der Übergabe des Aufrufs per Video-Statement:
"Ich befürworte diese Rechtsform, weil wir in der anonymer und kollektiver werdenden Welt der Kapitalanlage eine Form der Unternehmensführung brauchen, in der der Unternehmensführer sich persönlich verantwortlich weiß für dieses Unternehmen. Es gibt keinen Zwang, es gibt keine staatliche Lenkung, es wird auch keine steuerliche Lenkung geben. Es ist ein Angebot an die Freiheit, vermehrt die Freiheit des Unternehmers."
Familienunternehmer und Handwerk sind skeptisch
Kritik kommt aus der Stiftung Familienunternehmen und dem Handwerk. Der Bedarf einer VE-GmbH sei schlicht nicht vorhanden, weil Stiftungskonzepte zur langfristigen und interessenunabhängigen Übertragung von Gesellschaftervermögen seit langem etabliert seien. Diese zu entbürokratisieren sei zwar wünschenswert, aber im Aufruf der Stiftung Verantwortungseigentum zur neuen Rechtsform unzureichend abgebildet.
Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) will in der vorgeschlagenen neuen Rechtsform ebenfalls "eine Vielzahl ungelöster Fragen" erkennen:
"(...) etwa die Frage nach der Finanzierung, Behandlung und Kontrolle von verdeckten Gewinnausschüttungen und gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, die Frage nach einer mit dem Stiftungsrecht vergleichbaren – aber fehlenden – Erbersatzsteuer und insbesondere aber auch Haftungsfragen sowie die Frage einer ausreichenden Aufsicht."
Der Ball liegt jetzt beim Bundesjustizministerium, das die Vorschläge prüfen muss und - geht es nach dem Wunsch der Unterzeichner - hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringt.
Ecosia, WILDPLASTIC und elobau: Erfolgreiche Purpose Unternehmer erzählen
Langwierige Überzeugungsarbeit unter Parteien und Abgeordneten und widerstreitende wirtschaftliche Interessen sollten dich nicht davon abhalten, deinem Purpose zu folgen und ein Unternehmen mit Sinn zu gründen und aufzubauen. Dass dies möglich ist, zeigen dir Menschen mit Visionskraft, die mit ihren in Verantwortungseigentum geführten Unternehmen Pionierarbeit leisten.
"Wir verdienen Geld, um Bäume zu pflanzen."
Mehr als 100 Millionen Bäume in über 30 Ländern hat Christian Kroll vom Purpose Unternehmen Ecosia bereits gepflanzt. Reich wird er davon allerdings nicht, denn seine Anteile hat Kroll an die Purpose-Stiftung von Ecosia übertragen. Ecosia gehört sich dadurch selbst und seiner Mission. Es ist unmöglich, Gewinne aus dem Unternehmen zu ziehen oder das Unternehmen an externe Kapitalgeber zu veräußern.
Der erste Müllbeutel, der die Welt aufräumt
Den ersten Wild Bag aus wildem Plastik will das StartUp WILDPLASTIC auf den Markt bringen. Das Purpose Unternehmen nutzt ebenfalls ein Stiftungskonzept und hat eine Purpose Stiftung gegründet, die dafür Sorge trägt, dass tatsächlich verantwortlich gemäß Unternehmenszweck gehandelt wird.
"Man kann doch nicht sein Unternehmen verschenken!"
Michael Hetzer, Geschäftsführer beim baden-württembergischen Familienbetrieb elobau, sieht sich selbst als Treuhänder und Stifter eines in Verantwortungseigentum geführten Unternehmens. Dieser bürokratische Prozess zum Purpose Unternehmen kostete Hetzer 6 Jahre Geduld und rund 500.000 Euro. Und auch heute noch sieht sich Hetzer dem Unverständnis Vieler ausgesetzt, die ihm sogar versteckte Gewinnabsichten unterstellen. Dabei sitzen bei elobau Feinmechaniker, Abteilungsleiter und Chef erfolgreich an einem Tisch, wenn es z.B. um die Entwicklung fairer Vergütungssysteme geht. Unter den circa 1000 Mitarbeitern funktioniert dieses Prinzip der geteilten Verantwortung von der Werkbank bis zum Chefbüro auf Augenhöhe.
Bild-Urheber:
iStock.com/skynesher