Unternehmen müssen bei ihrer vertraglichen Zusammenarbeit EU-Recht beachten
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Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung und Vertikal-Leitlinien im Überblick
Drei Wochen vor dem Auslaufen der aktuellen Bestimmungen hat die Europäische Kommission die neue Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO) mit ihren ergänzenden Leitlinien vorgelegt. Diese gelten ab 1. Juni 2022.
Die überarbeiteten Regelwerke sollen für Unternehmen einfachere, klarere und aktuellere Vorschriften und Leitlinien hinsichtlich deren Liefer- und Vertriebsvereinbarungen bezüglich einzuhaltendes EU-Wettbewerbsrecht bestimmen. Gleichzeitig wägt man sich mit den erneuerten Regelungen näher an den elektronischen Vertriebswegen der Zukunft.
Ziel der Neufassung war es demnach, die Vorschriften an die aktuellen Marktentwicklungen anzupassen. Die Funktionsweise der Weltwirtschaft hat sich in den vergangenen zehn Jahren verändert, so wie das Wachstum des E-Commerce und der Online-Plattformen.
Die Bestimmungen verstehen sich als Anweisungen zu einer Reihe von zentralen Branchenthemen, wie beispielsweise zweigleisiger Vertrieb, Informationsaustausch, duale Preisgestaltung und Agenturverträge.
Beschränkungen und Erweiterungen geschützter Bereiche
Nach der Vertikal-GVO dürfen unter bestimmten Vorraussetzungen Unternehmen untereinander Vereinbarungen treffen, welche nach Artikel 101 AEUV den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des EU-Binnenmarkts bezwecken oder bewirken kann.
Die Vorschriften sehen somit einen geschützten Bereich vor, in dem Vereinbarungen unter Unternehmen von einem Verbot nach EU Recht ausgenommen sind.
Die neuen Regelungen beschränken den geschützten Bereich nun auch im zweigleisigen Vertrieb, etwa bei Situationen, in denen Anbieter ihre Waren oder Dienstleistungen nicht nur über unabhängige Händler, sondern selbst auch direkt an Endkunden verkaufen. Ausserdem bei Paritätsverpflichtungen, die einen Verkäufer verpflichten, seinen Vertragspartnern Bedingungen anzubieten, die den Bedingungen anderer Vertriebskanäle entsprechen oder besser sind.
Bestimmte Aspekte des zweigleisigen Vertriebs und Arten von Paritätsverpflichtungen sind nach der neuen Vertikal-GVO demnach nicht mehr freigestellt, sondern müssen stattdessen einzeln nach Artikel 101 AEUV geprüft werden.
Eine Erweiterung des geschützten Bereichs wurde in Bezug auf bestimmte vertragliche Beschränkungen für einen Abnehmer, sich aktiv an einzelne Kunden zu wenden vorgenommen. Ausserdem dürfen sich nun auch bestimmte Praktiken in Bezug auf den Online-Verkauf, wie die Möglichkeit, ein und demselben Händler für online und offline verkaufte Produkte unterschiedliche Preise in Rechnung zu stellen oder für Onlinehandel und Offline-Verkäufe in selektiven Vertriebssystemen unterschiedliche Kriterien aufzuerlegen, als geschützt ansehen.
Hersteller profitieren - Digitalisierung verliert
Von der neuen Vertikal-GVO profitieren vor allem Hersteller. Diese können die Regeln des Wettbewerbs nun zu ihren Gunsten ausnutzen. Abnehmer mit Omnichannel-Verkauf etwa könnten vertraglich verpflichtet werden, dass sie mehr für ein online vertriebenes Produkt im Einkauf bezahlen müssen, als wenn sie es stationär vertreiben. Auch können Hersteller ihre Produkte im Direktvertrieb wie über eigene Onlineshops günstiger anbieten. Gerade für stationäre Händler die ihr Geschäft ins Internet verlagern wollen, kann diese neue Regelung somit eine Bremse bei der Digitalisierung sein.
Umgedreht können Hersteller durch die neue Vertikal-GVO künftig auch strengere Anforderungen an den Online- als an den Offlinevertrieb stellen. Auch könnten sie den Händlern grundsätzlich verbieten, ihre Ware über grosse Marktplätze zu verkaufen. Dies erinnert stark an die Anfänge des Onlinehandels, als grosse Hersteller den Bezug von Waren an einen stationären Verkaufspunkt knüpften oder das Onlinegeschäft gar verboten.
Die Vertikal-GVO begünstigt somit große Produzenten und Marken, auch wenn sie nun ausdrücklich verbietet, dass diese den Onlineverkauf ihrer Waren verbieten oder andere Beschränkungen vertraglich vereinbaren können. Dafür stehen neue Vertriebsmodelle wie das Dropshipping in den Startlöchern.
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