Wien und Wiesbaden gegen den Rest der Amazon-Welt
Den lokalen Buchhandel retten
Das Szenario ist auch in Deutschland wohl bekannt: Der lokale Buchhändler, der Jahrzehnte seinen Laden betrieb, schließt plötzlich seine Pforten, weil der Verkauf der Bücher sich hauptsächlich ins Internet verlagert hat, das Geschäft unrentabel geworden ist.
Zwei 17-jährige Abiturienten in Österreich wollten das so nicht hinnehmen. Zumal ihre eigene Testbestellung beim Internet-Riesen aus einem fernen Zentrallager nach Wien gebracht, also nicht gerade umweltfreundlich geliefert wurde. Betrachtet man den CO2-Ausstoß und die Verpackung der gelieferten Ware, wurde diese Bestellung auch nicht ihren eigenen Ansprüchen gerecht - vom pleite gehenden Buchhändler in ihrem Viertel mal ganz abgesehen. Sie gründeten ihren eigenen Buchhandel namens Lobu. Das ökologisch nachhaltige und sozial verträgliche Konzept: Per SMS bis mittags ein Buch bestellen, am Abend aus der lokalen Buchhandlung geliefert bekommen. Mit einem Fahrradkurier, der das Buch aus der Buchhandlung direkt an die Haustür bringt.
Das Projekt ist zwar klein angelaufen: In 2 der 23 Wiener Bezirke liefern die jungen Österreicher mit Freunden auf Fahrrädern die bestellten Bücher aus, die in den zwei kooperierenden Buchhandlungen bestellt wurden. Aber mit weiteren 15 Buchhändlern stehen die Schüler bereits in Verhandlungen. Und es wird optimistisch in die Zukunft geblickt: Nach dem Abitur 2019 soll es nämlich richtig losgehen - und das in Vollzeit. Bis dahin wird die Infrastruktur von Lobu weiter verbessert, eine Bücherdatenbank aufgebaut und das nötige Kleingeld für die bisher relativ geringen Kosten des jungen Unternehmens eingefahren - zum Beispiel über Gewinnprämien von Gründerwettbewerben.
Ein Internetkaufhaus für den regionalen Einzelhändler
Eine andere Strategie verfolgt das Kiezkaufhaus in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, um dem Weltkonzern Amazon paroli zu bieten. Das Start-up versteht sich als Internetkaufhaus der regionalen Einzelhändler, die hier versammelt ihre Waren anbieten. Dabei legt man besonderen Wert auf eine fotorealistische Darstellung der einzelnen Händler, das heißt ihre Waren werden möglichst so abgebildet, wie sie sich auch in den Geschäften dem Kunden präsentieren. Der Charme soll dabei möglichst erhalten bleiben, indem so gut wie möglich das Gefühl vermittelt wird, man stehe selbst im Laden.
Zu bestellen ist praktisch alles was man in den großen Kategorien Food und Nonfood im Alltag braucht: von Blumen über Bücher bis zu frischen Lebensmitteln, aber auch Präsentkörbe, Theaterkarten oder Schreibwaren sind dabei. Das Sortiment ist überzeugend und selbst Kundenwünsche werden berücksichtigt, wie zum Beispiel die gewünschte Dicke der Brotscheiben oder des Aufschnitts. Kuriere liefern die bestellten Waren schließlich mit passenden Lastenrädern aus. So soll die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden eine regionale und umweltfreundliche Alternative zu Amazon haben. Die Gründer des Kiezkaufhauses wollen es aber nicht bei Wiesbaden belassen: man arbeitet bereits daran, das Konzept samt Plattform so aufzubauen, dass es an andere Städte übergeben werden kann.
Quelle: Spiegel Online
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