Insolvenzantrag: Neue Pflichten für Unternehmen
Unbürokratischer Mikrokredit für kleine Unternehmen
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Das ändert sich ab 1. Mai 2021
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde erstmals im März 2020 zum Beginn der COVID-19-Pandemie als Einzelmaßnahme innerhalb zahlreicher zivil- und insolvenzrechtlicher Neuerungen beschlossen. Sie galt zunächst für zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen bis zum 30. September 2020 (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz COVInsAG). Anschließend wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausschließlich für den Insolvenzgrund der Überschuldung bis zum 31.12. 2020 verlängert.
Mit Inkrafttreten zweier insolvenzrechtlich relevanter neuer Gesetze zum 1. Januar 2021 wurde die Pflicht zum Antrag auf Insolvenzschutz dann zum zweiten Mal bis zum 31. Januar 2021 ausgesetzt. Diese Entscheidung beruhte maßgeblich auf der stockenden Auszahlung der November- und Dezemberhilfen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende Januar galt demzufolge auch nur für jene Unternehmen, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 einen Antrag auf staatliche Corona-Hilfen gestellt hatten oder in diesem Zeitraum grundsätzlich anspruchsberechtigt waren.
Lockdown-Long und die nicht enden wollenden Komplikationen bei der Auszahlung der Corona-Hilfen motivierten schließlich die dritte und dem Vernehmen nach letztmalige Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. April 2021.
Mit dem Ende der Corona-Schutzfrist und nach derzeitigem Kenntnisstand der Koalitionsverhandlungen gelten damit ab 1. Mai 2021 neue Regeln für überschuldete und insolvenzreife Unternehmen.
Überblick zur Anspruchsberechtigung für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht:
Zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen:
- Deadline 30. September 2020
Überschuldete Unternehmen:
- Deadline 31.12. 2020
Überschuldet, anspruchsberechtigt für Corona-Hilfen bzw. wartende Antragsteller im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 :
- Deadline 31. Januar 2021
Überschuldet, anspruchsberechtigt für Corona-Hilfen bzw. wartende Antragsteller im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021:
- Deadline 30. April 2021
Zahlungsunfähig vs. Überschuldet: Was ist der Unterschied?
Zahlungsunfähige Unternehmen sind nicht mehr in der Lage ihre fälligen Schulden zu begleichen. Bis zum 30. September 2020 waren auch zahlungsunfähige Betriebe von der Insolvenzantragspflicht befreit. Wessen Unternehmen sich weiterhin ab diesem Datum in wirtschaftlicher Schieflage befand und wer dennoch keinen Insolvenzantrag gestellt hat, macht sich mutmaßlich der Insolvenzverschleppung strafbar.
Von Überschuldung spricht der Gesetzgeber, "wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt." (§ 19 der Insolvenzordnung (InsO). Eine Fortführung eines ordnungsgemäßen Unternehmens ist zudem als zweites Kriterium "überwiegend unwahrscheinlich".
Was bedeutet coronabedingte Überschuldung?
Ausschlaggebendes Kriterium für deinen Anspruch auf eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist eine krisenbedingte Überschuldung. Das bedeutet, dass du auschließlich aufgrund der Corona-Pandemie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten bist. Als coronabedingt überschuldet gilt ein Unternehmen, wenn es zum Stichtag 31. Dezember 2019 noch wirtschaftlich gesund war. Nachweise sind entsprechend vorzuhalten/beizufügen.
Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Gibt es noch Spielraum?
Kurz vor Ablauf der Frist zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht entflammt eine neuerliche Debatte ob einer möglichen Verlängerung. Wenn es nach dem SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner ginge, sollte die derzeitige Regelung "um einen, besser zwei Monate" ausgeweitet werden. Ablehnend stehen dem sowohl Koalitionspartner CDU als auch das SPD-geführte Bundesjustizministerium gegenüber.
Besonders betroffene Branchen wie das Gastgewerbe üben trotzdem Kritik am geplanten Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und berufen sich wiederum auf nicht vollständig geleistete Corona-Hilfszahlungen. Betroffen hiervon seien vor allem Unternehmen, die erst seit Ende Februar überhaupt ihre Anträge hätten stellen können:
Es kann nicht sein, dass Unternehmen ab dem 1. Mai Insolvenz anmelden müssen, nur weil die staatlichen Hilfen, auf die sie einen Anspruch haben, nicht rechtzeitig bei ihnen angekommen sind oder die notwendigen Verbesserungen des aktuellen Förderprogramms noch ausstehen.
- Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband)
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt unterdessen davor, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht noch weiter zu verlängern. Sinn und Zweck der Antragspflicht für Insolvenzen sei es, sowohl die betroffenen Unternehmen als auch die Gläubiger zu schützen:
Deutschland wird unweigerlich eine Welle von Unternehmensinsolvenzen bevorstehen, und es ist besser, diese frühzeitig zu erkennen und abmildern zu helfen. Ein frühzeitiger Antrag auf Insolvenzschutz erlaubt es Unternehmen, Verbindlichkeiten umzustrukturieren und die Chance fürs Überleben zu verbessern.
- Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Handelsblatt
Insolvenzantrag stellen: Das müssen Unternehmer beachten
Gemäß der alten Regeln zur coronabedingten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und im jeweiligen Wirkungszeitraum gelten bis zum 30. April folgende Erleichterungen für betroffene Unternehmen:
- Unternehmen müssen unter Vorhandensein der Voraussetzungen keinen Antrag auf Insolvenzschutz stellen.
- Gläubiger dürfen im Wirkungszeitraum keine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen.
- Es gelten Haftungserleichterungen für Geschäftsleiter für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife.
- Unternehmen erhalten Anreize, um neue Liquidität zuzuführen für die Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen sowie für einen soliden Restrukturierungsprozess (Sanieren ohne Insolvenz).
Stichtag 1. Mai 2021: Wann muss ich den Insolvenzantrag spätestens stellen?
Die reguläre Pflicht zum Insolvenzantrag regelt § 15a InsO:
Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen.
§ 15a InsO gibt dir also nur drei Wochen Zeit, um nach Bekanntwerden des Ernstfalls rechtskonform zu handeln. Wenn du hier nachlässig agierst, bleibt es nicht bei einer Verwarnung.
Welche Strafe droht bei einer Insolvenzverschleppung?
Auf eine Insolvenzverschleppung drohen bis zu drei Jahre Haft. Je nach Schwere der Schuld können auch Geldstrafen verhängt werden.
Wichtiger Hinweis: Wer wegen einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung verurteilt wurde, darf fünf Jahre lang kein Geschäftsführer einer GmbH sein (§ 6 Abs. 2 Nr. 3a GmbH-Gesetz).
Dokumentiere gründlich alle Geschäftsvorfälle im Zeitraum der corona-bedingten Überschuldung und beobachte genau, wann womöglich eine Zahlungsunfähigkeit droht. Mit einer Strafrechtsschutzversicherung sicherst du dich außerdem rückwirkend ab, u.a. gegen den Vorwurf der Insolvenzverschleppung oder den mutmaßlichen Mißbrauch deiner Sorgfaltspflicht als Geschäftsführer.
Insolvenz vermeiden: Restrukturierungsplan erstellen
Aussichtsreiche Sanierungen will die Bundesregierung nicht durch Zahlungsverbote vereiteln, im Gegenteil: Im Zuge der Verabschiedung zum neuen Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) sowie zum Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) kannst du seit Jahresbeginn dein Unternehmen ohne Insolvenz sanieren.
Grundlage hierfür sind Erleichterungen für betroffene Schuldner wie folgt:
- Eine billigende Mehrheit deiner Gläubiger (75% in jeder Gläubigergruppe) reicht in Zukunft aus, um eine Sanierung mit Restrukturierungsplan zu beginnen. (alt: 100%)
- Du darfst sowohl bevorzugte Gläubiger in deinen Restrukturierungsplan aufnehmen, als auch umgekehrt Vollstreckungsmaßnahmen und Sicherungsrechte anderer Gläubiger, die deinen Plan gefährden könnten, durch das Restrukturierungsgericht untersagen lassen.
- Die Gestaltung und Verhandlung des Restrukturierungsplans oder Gesamtvergleichs mit deinen Gläubigern kannst du eigenverantwortlich und ohne Einbindung eines Gerichts durchführen.
Wann gilt eine Sanierung ohne Insolvenz als aussichtsreich?
Als maßgeblicher Zeitraum für das Gelingen eines vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens gelten die kommenden 24 Monate deiner Geschäftstätigkeit. Diesen Zeitraum legt der Gesetzgeber zugrunde, um eine prinzipiell positive Fortführungsprognose trotz drohender Zahlungsunfähigkeit anzuerkennen. Du musst also mindestens für die kommenden zwei Jahre eine solide Liquiditätsplanung einschließlich Risikofrüherkennung vornehmen, um nicht unangenehm überrascht zu werden.
Liquiditätsplanung inkl. Risikofrüherkennung für die kommenden 24 Monate
Tritt die befürchtete Zahlungsunfähigkeit früher ein, entfällt die Möglichkeit einer vorinsolvenzlichen Sanierung und es gilt wiederum der Insolvenzgrund der Überschuldung mit dessen Anzeigepflicht innerhalb von drei Wochen gemäß § 15a InsO. Verpasst du diese Frist, steht der Vorwurf der Insolvenzverschleppung im Raum mit strafrechtlich relevanten Haftungsrisiken.
Insolvenz abfedern: Verfahren der verkürzten Restschuldbefreiung
Erfüllst du nicht die Voraussetzungen für eine vorinsolvenzliche Sanierung, sollen die Folgen einer Insolvenz und Privatinsolvenz zumindest abgemildert werden. Sofern es sich um einen Erstantrag handelt, sieht der Gesetzgeber in Zukunft eine verkürzte Restschuldbefreiung von nur noch drei statt bisher üblich sechs Jahren vor.
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