Justitia mildert die Folgen von COVID-19 im Zivil- und Insolvenzrecht
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Bereits in der vergangenen Woche hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ihren Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vorgelegt. Am vergangenen Montag stimmte das Bundeskabinett den Vorschlägen der Ministerin nun zu. Damit sollen insbesondere kleine Unternehmen, die infolge der Krise aktuell ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können, besser unterstützt werden.
Der Gesetzesentwurf sieht folgende Erleichterungen für Betroffene vor:
- Sicherheit von Wohnungs- und Betriebsstätte: Mieterinnen und Mieter von Wohn- und Gewerbeimmobilien werden vor Kündigungen geschützt.
- Zahlungsaufschub für grundsichernde Leistungen: Privatpersonen und Kleinstunternehmen erhalten einen Zahlungs- oder Leistungsaufschub bei bestimmten fortlaufenden Verpflichtungen. Dazu zählen insbesondere Leistungen der Grundversorgung, wie zum Beispiel Strom oder Telekommunikationsleistungen.
- Zahlungsaufschub für Darlehensverbindlichkeiten: Private Darlehensnehmer können bei Vorlage der Voraussetzungen einen mindestens dreimonatigen Zahlungsaufschub erhalten.
Darüber hinaus trifft der Gesetzentwurf weitere Maßnahmen, um existenzgefährdete Unternehmen zu schützen.
- Erleichterung der Unternehmensfortführung bei drohender Insolvenz: Verschiedene kombinierte Maßnahmen im Insolvenzrecht sollen Unternehmen vor einer drohenden Insolvenz bewahren.
- Das Recht deines Vermieters zur Kündigung von Wohn- oder Gewerberaummietverträgen wird einstweilen eingeschränkt.
- Das heißt konkret: Wenn Mietschulden im Zeitraum zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 als ursächliche Konsequenz aus der COVID-19-Pandemie drohen, darf dir dein Vermieter nicht kündigen!
- Die Verpflichtung zur Miet- oder Pachtzahlung entfällt grundsätzlich nicht.
- Die Regeln gelten vorerst bis zum 30. Juni 2020 und können unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden.
- Privatpersonen und Kleinstunternehmen erhalten bei Zahlungschwierigkeiten und hier konkret für "bedeutsame Dauerschuldverhältnisse" die vorübergehende Möglichkeit zur Leistungsverweigerung. Hierzu werden zeitlich befristete Regelungen in einem neuen Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) geschaffen.
- Das betrifft konkret Verbindlichkeiten gegenüber kommunalen Werken der Grundversorgung oder Telekommunikationsdienstleistern und hier Verträge bzw. Dauerschuldverhältnisse, die vor
dem 8. März 2020 eingegangen worden sind. - Du erhältst also weiterhin Strom, Wasser und Telefonie, auch wenn du krisenbedingt deinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kannst.
- Wenn du Zahlungsverpflichtungen aus einem Verbraucherdarlehen bis zum 30. Juni 2020 nachkommen musst, kannst du von der Möglichkeit einer Stundung um drei Monate Gebrauch machen.
- Im Anschluss ist das Darlehen bei Ausbleiben weiterer "einvernehmlicher Lösungen" mit dem Darlehensgeber wiederaufzunehmen.
- Prinzipiell verlängert sich der Darlehensvertrag um drei Monate, sollte die Stundung in Anspruch genommen werden. Damit soll verhindert werden, dass eine weitere Doppelbelastung durch die Zahlung von gestundeten und laufenden Raten entsteht.
- Die Regelungen gelten vorerst bis zum 30. Juni 2020 und können unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden.
- Wenn du wirtschaftliche Schäden aufgrund der COVID-19 Pandemie erfahren musstest und diese existenzgefährdend sind, kannst du von einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für deinen Betrieb Gebrauch machen.
- Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt vorerst befristet bis zum 30. September 2020. Sie kann im Verordnungswege bis zum 31. März 2021 verlängert werden.
- Darüber hinaus sollen Haftungserleichterungen für Geschäftsleiter für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife gelten.
- Anreize, betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen zu diesen aufrecht zu erhalten, sieht der Gesetzesentwurf ebenfalls vor.
- Das Recht der Gläubiger, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen, wird für den bezeichneten dreimonatigen Übergangszeitraum eingeschränkt.
Der Gesetzesentwurf sieht weiterhin Maßnahmen und Erleichterungen vor, damit betroffene Rechtsformen auch in Zeiten massiver Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten ihre erforderlichen Beschlüsse fassen können und handlungsfähig bleiben.
Hierzu werden vorübergehend Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen geschaffen.
Es profitieren folgende Rechtsformen:
- die Aktiengesellschaft (AG),
- Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA),
- der Versicherungsverein a. G. (VVaG)
- Europäische Gesellschaften (SE)
- Gesellschafterversammlungen der GmbH
- General- und Vertreterversammlungen der Genossenschaft sowie
- Mitgliederversammlungen von Vereinen.
Du profitierst von folgenden Erleichterungen bis zum Ende des Geschäftsjahres:
- Online-Hauptversammlungen möglich: Im Fall von der AG, KGaA und SE besteht ab sofort die Möglichkeit, dass der Vorstand der Gesellschaft auch ohne Satzungsermächtigung eine Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ermöglichen kann. Außerdem sollen erstmals präsenzlose Hauptversammlungen stattfinden können. (Hinweis: Da es sich hierbei um ein in Deutschland absolutes Novum handelt, schließt der Entwurf insbesondere Anfechtungsrisiken weitestgehend aus.)
- Einberufungsfrist auf 21 Tage verkürzt: Darüber hinaus sieht der Gesetzgeber vor, die Einberufungsfrist auf 21 Tage zu verkürzen.
- Abschlag ohne Satzungsregeln: Der Vorstand kann auch ohne Satzungsregelung Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn vornehmen.
- Achtmonatsfrist wird verlängert: Es wird die Möglichkeit eröffnet, eine Hauptversammlung innerhalb des Geschäftsjahres durchzuführen, das heißt die bisherige Achtmonatsfrist wird verlängert.
- Befristet bis Ende 2020: Die Regelungen gelten zunächst für das Jahr 2020. Das BMJV kann die Bestimmungen im Wege der Verordnung auf das Jahr 2021 verlängern.
Den vollständigen Wortlaut der Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht hat das BMJV online bereitgestellt.
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