Bundesnotbremse: Regeln, Beschränkungen und Kritik am neuen Infektionsschutzgesetz
Mikrokredite, Zuschüsse & Fördermittel
Bundesnotbremse: Diese Änderungen fordert § 28b Infektionsschutzgesetz
Das Bundeskabinett hat am Dienstag eine Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Am Freitag wurde die Formulierungshilfe der beiden Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD erstmals im Deutschen Bundestag teils hitzig beraten. Kritik kam aus allen Oppositionsparteien, u.a. an der Zweck- und Verhältnismäßigkeit der geplanten Ausgangsbeschränkungen zwischen 21 und 5 Uhr, dem verordneten "Berufsverbot" für viele Branchen im Dauer-Lockdown sowie grundsätzlich an der "Ermächtigungspolitik" der Bundesregierung.
Bund regelt Lockdown-Maßnahmen ab Inzidenzwert 100
Überschreitet ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt in Zukunft eine Inzidenz von 100, sollen dort künftig bundeseinheitlich festgelegte, zusätzliche Maßnahmen das Infektionsgeschehen bremsen. Liegen die Inzidenzwerte unter diesem Wert, gelten weiterhin die zuvor in Absprache mit dem Bund gefundenen Maßnahmen der jeweiligen Landesverordnungen. Grundlage hierfür ist eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Neueinfügung des § 28b Infektionsschutzgesetz, die auch als "Bundesnotbremse" bezeichnet wird.
Virus verzeiht keine Halbherzigkeiten
In ihrer Presseerklärung zur Begründung findet die Bundesregierung deutliche Worte. Nach 13 Monaten Corona-Pandemie habe man eines gelernt: Das Virus verzeihe keine Halbherzigkeiten. Das Virus verzeihe kein Zögern. Es lasse nicht mit sich verhandeln. Entschlossenheit helfe am Ende allen so viel mehr.
Diese Entschlossenheit wünschen sich viele kleine Unternehmen nach eben diesen 13 Monaten vor allem von der Bundesregierung.
Keine Zustimmung des Bundesrats notwendig
Der "Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" befindet sich noch in der Debatte im Bundestag. Anschließend wird der Bundesrat beteiligt. Eine Zustimmungspflicht durch die Länder besteht jedoch nicht.
Bundesnotbremse: Das müssen Unternehmen wissen
Die Maßnahmen der Bundesnotbremse sollen überall dort greifen, wo die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner und innerhalb von sieben Tagen über den Schwellenwert von 100 steigt. Sie tritt jeweils zum übernächsten Tag in Kraft. Die Maßnahmenkompetenz liegt dann auf Seiten des Bundes und entlang der Regeln des neu eingefügten § 28b Infektionsschutzgesetz.
Für einzelne Händler, Dienstleister und Gastronomen bedeutet dies eine verbindliche Chance auf Geschäftsbetrieb trotz Infektionsgeschehen oder weiterhin Lockdown, Überbrückungshilfe III oder der Antrag auf Neustarthilfe für Soloselbstständige in den Kunst- und Kreativberufen. Antragstellungen in beiden Corona-Hilfsprogrammen sind vorerst bis zum 31. August 2021 möglich.
Wer darf trotz Bundesnotbremse öffnen?
Unter Einhalten der Maskenpflicht und eines Hygienekonzepts sollen folgende Geschäfte und Einrichtungen auch ab einer Inzidenz von 100 geöffnet bleiben können:
Öffnungen von Geschäften
- Lebensmittelhandel einschließlich Direktvermarktung,
- Getränkemärkte,
- Reformhäuser,
- Babyfachmärkte,
- Apotheken,
- Sanitätshäuser,
- Drogerien,
- Optiker,
- Hörgeräteakustiker,
- Tankstellen,
- Stellen des Zeitungsverkaufs,
- Buchhandlungen,
- Blumenfachgeschäfte,
- Tierbedarfsmärkte,
- Futtermittelmärkte und
- Gartenmärkte.
Geöffnete Dienstleister
- Fahrrad- und Autowerkstätten
- Banken und Sparkassen
- Poststellen
Körpernahe Dienstleistungen - nur in Ausnahmen
Körpernahe Dienstleistungen sollen grundsätzlich nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken angeboten werden. Ausnahmen gelten für Friseure. Sofern deine Kunden einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen können und unter Einhaltung eines Hygienekonzepts dürfen Termine stattfinden.
Für andere körpernahe Dienstleister (Kosmetiker; Nagelstudios) soll dies ab einer Inzidenz von 100 nicht mehr möglich sein.
Gastronomie und Hotelerie
Gastronomen und Hoteliers müssen ab einer Inzidenz von 100 schließen. Unter der Inzidenz von 100 gelten die jeweiligen Landesverordnungen vor Ort hinsichtlich Take-Away, Lieferungen und teilweise den gastronomischen Außenbetrieb oder touristische Modellprojekte.
Fitnessstudios
Fitnessstudios bleiben geschlossen. Sport darf nur allein, zu zweit oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes betrieben werden.
Schul- und Kitaschließungen ab Inzidenzwert 200
Für Eltern gilt: Bei einer Inzidenz über 200 soll der Präsenzunterricht in Schulen und die Regelbetreuung in Kitas untersagt werden. Mögliche Ausnahmen gelten dann nur noch für Abschlussklassen und Förderschulen. Neue coronabedingte Regeln beim Kinderkrankengeld mit einem zusätzlichen Anspruch auf Kinderkrankentage hat die Bundesregierung bereits verabschiedet. Welche Regeln für Voll-, Teilzeit-, und in Kurzarbeit Beschäftigte gelten, erfahren Arbeitgeber in unserem Spezialbeitrag.
Die Notbremse sei laut Bundesregierung das Instrument, um die drohende Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Systematisches Testen hingegen sei das Mittel, um bei niedrigeren Inzidenzen kontrollierte und nachhaltige Öffnungen zu ermöglichen. Mit dem Impfen verfüge man über den Schlüssel, um "die Pandemie zu überwinden" (*Impfversprechen der Bundeskanzlerin: Jeder Bundesbürger erhält bis zum 21. September 2021 ein Impfangebot)
Initiative "Händler-helfen-Händlern" bereitet Verfassungsbeschwerde vor
Viele nach 13 Monaten Dauer-Lockdown zermürbte kleine Betriebe zweifeln an diesem kategorischen Imperativ. In der Pro-Bono-Initiative "Händler helfen Händlern" haben sich deshalb unterschiedliche Unternehmen zusammengeschlossen, um auf die Notsituation besonders betroffener Branchen aufmerksam zu machen.
Der Initiative gehören unter anderem die Sportfachhandel Verbundgruppe Intersport mit seinen 1.500 angeschlossenen Sportfachgeschäften, Modehändler wie Engelhorn, L+T, Schuster und Tom Tailor, der Fahrradhändler Rose Bikes, aber auch Gastronomen wie L’Osteria an. Mittlerweile zählt "Händler helfen Händlern" 3.800 Mitglieder.
Wir sehen eine absolute Ungleichbehandlung, und zwar in allen Bereichen. So gibt es keine Home-Office-Pflicht, es dürfen also auch bei staatlichen Einrichtungen, bzw. staatsnahen Einrichtungen mehr als 1.500 Leute in einem Großraumbüro sitzen, aber Handel und Gastronomie sollen verboten werden und im Privaten darf man sich nur mit einer Person treffen.
- "Händler helfen Händlern" - Initiator und CEO von Rose Bikes, Marcus Diekmann in ONLINEHÄNDLER-NEWS
Die Initiative sei gesprächsbereit, um gemeinsam mit der Bundesregierung und den verantwortlichen Behörden wirksame Lösungen und Konzepte zur Pandemiebekämpfung zu entwickeln. Praxiserprobte Hygienekonzepte lägen auf dem Tisch und trügen zu einem "sinnvollen Infektionsschutz" bei.
„Händler helfen Händlern“ wurde am 19. März 2020 ins Leben gerufen. Die Initiave organisiert sich unter anderem über eine LinkedIn-Gruppe, an die sich Unterstützer wenden können. Die Anfragen werden durch eine Rechtsanwaltskanzlei koordiniert.
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