Ist das neue Infektionsschutzgesetz verfassungswidrig?
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§ 28a IfSG: Lässt das neue Infektionsschutzgesetz Unternehmer im Stich?
Das Infektionsschutzgesetz regelt prinzipiell die Befugnisse von Bund und Ländern innerhalb einer Pandemie von nationaler Tragweite. Diese wurde zuerst am 27. März 2020 festgestellt und in seiner Sitzung vom 18. November 2020 durch das Parlament erneut bestätigt.
Gleichzeitig haben die Abgeordneten neue Regelungen auf den Weg gebracht, die mehr Rechtssicherheit für notwendige Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise bewirken sollen. Das zu diesem Zweck verabschiedete 3. Bevölkerungsschutzgesetz soll die ersten beiden Bevölkerungsschutzgesetze weiterentwickeln und an die derzeitigen Erfordernisse der Pandemie anpassen.
413 Abgeordnete befürworteten die Novelle im abschließenden Abstimmungsverfahren, 235 votierten dagegen bei 8 Stimmenthaltungen. Mit der Bestätigung des Bundesrats und Unterzeichnung des neuen Infektionsschutzgesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) noch am Mittwochabend, ist das 3. Bevölkerungsschutzgesetz nunmehr seit 19. November 2020 rechtskräftig.
Kein Flickenteppich der Schutzmaßnahmen auf Länderebene, keine Unsicherheit stiftenden Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, sondern Einigkeit zwischen Bund und Ländern ist das Ziel insbesondere des neu geschaffenen § 28a IfSG.
Welchen Schaden wollen und können wir wo wie ertragen?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterstrich im Verlauf der Debatte, dass der Schutz der Gesundheit bei weitem nicht absolut stehe, doch Gesellschaft und auch das Parlament hätten sich in großer Mehrheit dafür entschieden, "dass wir keine Überforderung unseres Gesundheitssystems akzeptieren wollen." Der Schutz der Gesundheit in dieser Pandemie erhalte "ein relativ stärkeres Gewicht".
Sämtliche Grundrechtseinschränkungen, die beschlossen wurden, hat das Parlament an das Kriterium der Inzidenzen (also die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in 7 Tagen) gebunden. Besonders schwere Einschränkungen von Grundrechten wie Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Ausgangsbeschränkungen und Zugangsverbote zu Pflegeeinrichtungen könnten jedoch nur wirksam werden, wenn z.B. "mildere Maßnahmen" nicht das erwünschte Ergebnis erreichen würden.
Der neu in das Infektionsschutzgesetz eingefügte Paragraf 28 a präzisiert in diesem Sinne die Befugnisse des bereits vorhandenen § 28 Infektionsschutzgesetz und definiert mögliche Schutzmaßnahmen, die auf Länderebene ergriffen werden dürfen. Dazu zählen u.a.
- Abstandsgebote
- Ausgangsbeschränkungen
- Beherbergungsverbote
- Beschränkung von Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten (auch von religiösen Veranstaltungen)
- Demonstrationsverbot oder -beschränkung
- Einreiseanmeldungen (bei Einreise aus einem Risikogebiet)
- Kontaktbeschränkungen (auch im privaten Raum)
- Maskenpflicht im öffentlichen Raum
- Reisebeschränkungen
- Anordnung der Schließung von Geschäften
Neue Entschädigungsregeln für Reisende und erwerbstätige Eltern
Neu beschlossen wurde auch, dass Reisende, die eine vermeidbare Reise in ein 48 Stunden vor Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet unternehmen und sich anschließend in Quarantäne begeben müssen, in diesen Fällen keine Entschädigung mehr für den durch die Quarantäne verursachten Verdienstausfall erhalten sollen.
Für erwerbstätige Eltern hingegen, die aufgrund Corona-bedingter Kita- und Schulschließungen ihr Kind zu Hause betreuen müssen und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, wurde der bislang zeitlich befristet geltende Anspruch auf eine Entschädigung bis zum 31. März 2021 verlängert. Dieser Entschädigungsanspruch soll künftig auch für Eltern bestehen, die ein unter Quarantäne stehendes Kind zu Hause betreuten.
Lockdown Maßnahmen dürfen maximal 4 Wochen andauern
Neu im Infektionsschutzgesetz ist zudem die Vorschrift, dass Lockdown-Maßnahmen im Prinzip auf vier Wochen beschränkt sein müssen. Eine Verlängerung ist möglich auch ohne parlamentarische Abstimmung, jedoch steht die Bundesregierung gegenüber dem Bundestag in der konstanten Berichtspflicht.
DEHOGA-Präsident Guido Zöllick kündigt Verfassungsklage an
Besonders die Hospitality Branche zeigte sich bereits im Vorfeld der Abstimmung enttäuscht, mahnte Korrekturen an und verwies auf Klärung des Sachverhalts vor dem Bundesverfassungsgericht, sollten diese nicht berücksichtigt werden. Konkret das Nichtvorhandensein einer expliziten Entschädigungsregelung für von Lockdown-Maßnahmen betroffene Unternehmen erregt den Unmut von Gastronomen und Hoteliers.
„Damit wird eine neue Rechtsgrundlage für umfangreiche Schutzmaßnahmen geschaffen, die zweifelsohne einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Gastwirte und Hoteliers bedeuten. Es ist jedoch inkonsequent und unseres Erachtens verfassungswidrig, dass keine Entschädigung für diesen Fall für unsere Betriebe vorgesehen ist. Wenn der Gesetzgeber vor der beschleunigten Verabschiedung am 18. November keine Korrekturen vornimmt, die Entschädigungen vorsehen, werden wir für die Branche Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen.“
- Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband)
Der Gesetzgeber ist dieser Forderung in seinem jetzigen Beschluss nicht nachgekommen. § 16 und § 65 IfSG sind damit weiterhin die Grundlage für mögliche Entschädigungsleistungen.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob diese Entscheidung im Fall etwaiger Verfassungsklagen in Karlsruhe Bestand haben wird.
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