Wettbewerbsrecht in Deutschland ein zahnloser Tiger?

Vor dem Hintergrund steigender Verbraucherpreise, will das Bundeswirtschaftsministerium die Novelierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf dieses Jahr vorziehen. Dabei soll das Kartellamt mehr Macht bekommen. Insbesondere eine missbrauchsunabhängige Entflechtung von Märkten und eine kartellrechtliche Gewinnabschöpfung irritieren nun die Wirtschaft.

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Wettbewerbsrecht wird verschärft

Wie will man die Märkte künftig beeinflussen?

Angebot und Nachfrage bilden die Grundlage für verschiedene Marktausprägungen, welche einen selbstregulierenden Charakter aufweisen. Wird jedoch künstlich in die Märkte eingegriffen, werden gleichzeitig die Selbstregulierungsmechanismen entsprechend verhindert. Davon profitieren dann unverhältnismässig bestimmte Technologien, Unternehmen und der Staat.

So sind aktuell wiedereinmal die Tankstellenpreise und ihre begründenden, marktbeherrschenden Strukturen im Fokus sogenannter Wettbewerbshüter. Um die Symptome dieser seit Jahrzehnten fehlgeleiteten Marktsituation zu unterdrücken, plant das Bundeswirtschaftsministerium nun eine schnelle Verschärfung des Wettbewerbsrechts.

Eine Neugestaltung des "Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen" soll noch dieses Jahr kommen und im Speziellen die Befugnisse des Kartellamts erweitern. Dabei sollen die Hürden für eine kartellrechtliche Gewinnabschöpfung gesenkt werden und es sollen "missbrauchsunabhängige Eingriffsbefugnisse" des Kartellamts kommen.

Konkret soll die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit folgenden Massnahmen dem Staat die Macht geben, zukünftig noch einfacher in die Märkte einzugreifen:

  1. Missbrauchsunabhängige Entflechtung ermöglichen, um verfestigte Märkte zu brechen
  2. Kartellrechtliche Gewinnabschöpfung vereinfachen, um die Macht der Kartellbehörde zu erhöhen
  3. Sektoruntersuchungen von Wirtschaftszweigen erleichtern, um schneller in Märkte einzugreifen

1. Missbrauchsunabhängige Entflechtung ermöglichen

Ein sehr heikles Thema, weil es im Grunde dem Markt seine Grundeigenschaften abspricht, ist der von einem Missbrauch unabhängige Markteingriff. Nach aktueller Rechtslage sind strukturelle Eingriffe in Märkte nur bei einem klaren Kartellrechtsverstoss oder im Rahmen von Fusionskontrollentscheidungen möglich.

Aufgrund andererweitiger künstlicher Marktbeeinflussungen kommt es bisweilen zu stark verfestigten Marktstrukturen mit wenigen Anbietern im Markt und entsprechenden Wettbewerbsproblemen. Das Kartellamt kann hierbei jedoch oft keine Kartellrechtsverstösse oder wettbewerbsrechtswidrige Zusammenschlüsse beobachten, geschweige denn nachweisen.

Hier will man nun ein "Aufbrechen der Marktstrukturen" mithilfe eines missbrauchsunabhängigen Entflechtungsinstruments ermöglichen. Es soll demnach eine "Entflechtungsmöglichkeit" geschaffen werden, die unabhängig von einem nachgewiesenen Verstoss gegen das Kartellrecht anwendbar ist. Eine solche missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit soll an klar definierte Bedingungen geknüpft und nur als letzte Massnahme eingesetzt werden.

Sie soll dann für mehr Wettbewerb zum Schutz der Verbraucher sorgen. Im speziellen soll die missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit bei "Marktverfestigungen" mit hohen Preisen oder schlechter Qualität für den Endkunden "Abhilfe" schaffen. Das Instrument soll dann auf zahlreichen Märkten und nicht nur im Kraftstoffbereich zum Einsatz kommen können.

2. Kartellrechtliche Gewinnabschöpfung erleichtern

Profiteure von künstlichen Markteingriffen gibt es immer. Staatliche Fördermittel und -Programme sowie infrastrukturelle Planungen können gravierend und entsprechend langfristig Märkte beeinflussen, wie am Beispiel des deutschen Verkehrssystems und ganz aktuell an den gravierenden Corona-Krisenmassnahmen deutlich wurde.

Um profitierende Unternehmen zu schwächen, gibt es die Überlegungen zu einer Übergewinnsteuer. So hatte bereits im März Italien eine Steuer auf Zusatzgewinne von Energieunternehmen angekündigt, welche mit zehn Prozent gestartet ist und aktuell bei 25 Prozent vom Umsatzerlös beschuldigter Unternehmen liegt. Ob die vom Markt ausgeschlossenen Unternehmen davon jedoch profitieren und ob dadurch ein normales Marktverhalten hergestellt werden kann, ist fraglich.

Auch in Deutschland soll mit der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Voraussetzungen der sogenannten kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung überarbeitet werden.

Nach aktueller Rechtslage ist das bereits bestehende Instrument der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung kein steuerrechtliches Instrument. Es ermöglicht den Kartellbehörden, Unternehmen Vorteile zu entziehen, welche sie aus wettbewerbswidrigem Verhalten erlangt haben. Die abgeschöpften Beträge würden in das Staatssäckel fliessen. Da die gesetzlichen Hürden für so eine Vorteilsabschöpfung sehr hoch sind, hat das Bundeskartellamt von deren Möglichkeit bisher noch nie Gebrauch gemacht.

Wie man diese, aus gutem Grund, hohen gesetzlichen Hürden abbauen will, um eine kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung zu erleichtern, bleibt abzuwarten.

3. Sektoruntersuchungen für Markteingriffe erleichtern

Lassen starre Preise oder andere Umstände vermuten, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist, können das Bundeskartellamt und die obersten Landesbehörden gegen einen entsprechenden Wirtschaftszeig oder übergreifend anhand einer sogenannten Sektoruntersuchung ermitteln.

Allerdings sieht man hierbei die "Verzahnung mit daraus folgenden, ggf. auch strukturellen, Massnahmen auf den Märkten verbesserungswürdig." Weshalb die Sektorenuntersuchungen im Zuge der Erneuerung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch auf Reformbedarf hin überprüft werden sollen.

Im Besonderen will man dabei prüfen, wie in Zukunft das Bundeskartellamt unmittelbar aus einer Sektoruntersuchung Massnahmen wie etwa des neuen missbrauchsunabhängigen Entflechtungsinstruments ableiten kann.

Wie sich die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf die Märkte auswirken wird und welche neuerlichen Bedrohungslagen Unternehmen dann beachten müssen, bleibt bis zu einer konkreten Formulierung abzuwarten.

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Über den Autor
René Wendler

René Wendler

René hat die letzten 20 Jahre erfolgreich Geschäftsmodelle zur Betreuung von Gründern und Unternehmern aufgebaut. Damals wie heute adressiert er gemeinsam mit seinem Team Solo-Selbstständige und Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, welche weder die mediale noch politische Aufmerksamkeit haben, obwohl sie 95% aller Unternehmen in Deutschland stellen und 60% aller Arbeitsplätze absichern. Daraus entstanden ist auch unternehmenswelt.de, die mittlerweile größte Anlaufstelle für Gründer und Unternehmer in der D/A/CH Region mit über 500.000 Mitgliedern.

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