Bauern und Handwerk protestieren: Wie viel ist zu viel?!

Bauernproteste 2024: Das wollen Landwirte wirklich!

Die Bauernproteste haben am 15. Januar 2024 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Rund 30.000 Land- und Forstwirte, Fischereibetriebe, Spediteure, Bäcker, Metzger und viele andere kleine Handwerksbetriebe versammelten sich zu einer Großkundgebung vor dem Brandenburger Tor, um ihren Forderungen in Anwesenheit von u.a. Finanzminister Christian Lindner (FDP) Nachdruck zu verleihen.

Ausgangslage: Was ist passiert?

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 15. November 2023 musste die Ampelregierung ihre Finanzplanung überdenken. Die Umwidmung von als Corona-Kredit bewilligten Mitteln für Klimaschutz und Wirtschaftsmodernisierung wurde für ungültig erklärt, was eine offene Finanzierungslücke im Bundeshaushalt 2024 hinterlässt.

Kurz vor Weihnachten legte das Bundeskabinett Vorschläge über notwendige Einsparungen von 17 Milliarden Euro vor, darunter die Abschaffung sogenannter klimaschädlicher Subventionen (u.a. Wegfall der Dieselförderung für Landwirte; Anstieg des CO2-Preises) sowie Kürzungen in einzelnen Ressorts.

»Politik mit Weitblick? – Fehlanzeige.«

Angeführt vom Deutschen Bauernverband (DBV) ließ eine Reaktion aus der Wirtschaft nicht lange auf sich warten. In einer bundesweiten Protestwoche mit Sternfahrten und Traktoren-Demos machten die Landwirte und eine wachsende Zahl an Unterstützern aus dem Mittelstand ihrem Ärger Luft. 

Das sind die Kernforderungen kleiner Betriebe:

• „Rücknahme der Steuererhöhungsvorschläge der Bundesregierung“ (Joachim Rukwied, DBV-Präsident)
• Kein Wegfall der Dieselförderung für Land- und Forstwirte!
• Beibehaltung der Kfz-Steuer-Befreiung für Landwirte
• Wegfall der CO2-Besteuerung für Diesel (+Spediteure; Logistiker)
• Wegfall der Maut* (Spediteure; Logistiker; kleine Transportunternehmen; Gartenbaubetriebe etc.)

*Hintergrund Maut: Die Maut wurde 2005 eingeführt, um Lkw-Fahrer an den Kosten für die Instandsetzung der Infrastruktur zu beteiligen, die bisher die Allgemeinheit trug. Seit 2018 sind neben Autobahnen auch Bundesstraßen mautpflichtig, mit einer ausgeweiteten Mautpflichtgrenze von 12 auf 7,5 Tonnen."

Das sind weitere Probleme und Forderungen aus dem Mittelstand:

• Bürokratiemonster Deutschland: überbordende Bürokratie aus Auflagen, Bestimmungen, Verordnungen & Co.
• Kein Vertrauen: Mangel an Verlässlichkeit der Bundesregierung ( „Heute Hü, morgen Hott“; „Wenn ich mein Kleinunternehemn so führen würde, wäre ich schon pleite“ – O-Ton Bauernprotest Berlin 15. Januar 2024)  )
• Kein Respekt: Der Mangel an Respekt vor Unternehmern in Deutschland („Kungelrunde“ beschliesst „kurz vor Weihnachten“ Massnahmen „an der Realität vorbei“ – DBV-Präsident Joachim Rukwied, Eröffnungsrede Brandenburger Tor, 15. Januar 2024)
• Kein Plan: immer neue Auflagen der Politik, zuletzt die Forderung zur Stilllegung von mehr Flächen im Jahr 2023, trotzdem „immer mehr Menschen ernährt werden müssen“ (O-Ton Bauernprotest Berlin 15. Januar 2024) 

Mittelstand macht mobil: So reagiert die Politik

Die Ampelregierung zeigt sich indes entschlossen, den Bundeshaushalt 2024 wie geplant zu konsolidieren, während sie gleichzeitig auf die bundesweiten Proteste der Land- und Forstwirte reagiert.

Bundeskanzler zeigt Verständnis, und bleibt hart!

In einer Videobotschaft unterstrich Kanzler Scholz (SPD) die Notwendigkeit für den geplanten Subventionsabbau.

Die Demokratie lebt vom Kompromiss. (...) Wir haben uns die Argumente der Lanwirte zu Herzen genommen. Und haben unseren ersten Vorschlag noch einmal überarbeitet. Ein guter Kompromiss. (...)

Der Kanzler geht weiterhin auf seine Bemühungen ein, die besonderen Bedürfnisse der Landwirtschaft mit ihren Vertreterinnen und Vertretern diskutieren zu wollen, um nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Bundesfinanzminister spricht vor Brandenburger Tor

Finanzminister Lindner (FDP) erinnerte in seiner Rede vor dem Brandenburger Tor an die 9 Mrd. EUR Fördergelder aus Brüssel und Berlin, welche jährlich in die deutsche Landwirtschaft fließen würden. Zusätzliche Entlastung bringe das unverändert beibehaltene Stromsteuerpaket, was die Stromkosten für das produzierende Gewerbe deutlich senken werde.

Bei der Kraftfahrzeugsteuer ändere sich nichts:

Das grüne Kennzeichen, es bleibt.

Darüber hinaus wolle er sich dafür einsetzen, den inhaltlichen Dialog mit Land- und Forstwirten fortzusetzen und nannte in diesem Zusammenhang beispielhaft sein Vorgehen gegen „überzogene Umweltstandards“ im Ministerium Künast sowie die Gülleverordnung im Ministerium Klöckner:

Vor vier Jahren habe ich hier schon mal gestanden bei einer Demonstration. Damals ging es um die Düngeverordnung von Julia Klöckner. Damals habe ich Ihnen gesagt, dass unwissenschaftliche Ideologie überwunden werden muss. Damals habe ich Ihnen gesagt, dass ich für eine Agrarpolitik streite, die nachhaltiges Unternehmertum stärkt. Damals habe ich Ihnen gesagt, dass wir die Kluft zwischen Stadt und Land überwinden müssen.

Bundeslandwirtschaftsminister schlägt Bauern-Soli vor

Aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium kommt zudem der Vorschlag einen sogenannten Bauern-Soli oder Bauern-Cent einzuführen. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (GRÜNE) kann sich vorstellen, dergestalt den Umbau der Landwirtschaft zu refinanzieren. 

Tierische Produkte wie Milch (2ct/l), Butter und Käse (15ct/kg) sowie Fleisch (40ct/kg) würden sich dann verteuern. Die Mehreinnahmen würden den Bauern zugeführt.

Butter bei die Fische: Was bleibt vom Bauernprotest?

Im Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 legen die Koalitionsparteien ihren Kompromissvorschlag zum Subventionsabbau gegenüber den Landwirten dar. Die Einigungen werden nun in die laufenden Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag eingebracht. Vorbehaltlich der Zustimmung durch den Bundesrat soll der Bundeshaushalt 2024 dann am 2. Februar 2024 beschlossen werden.

Folgende Regelungen sollen enthalten sein:

1. KfZ-Steuerbefreiung in der Forst- und Landwirtschaft bleibt!

Es wird darauf verzichtet, die KfZ-Steuerbefreiung in der Forst- und Landwirtschaft abzuschaffen. 

2. Steuerbegünstigung für Agrardiesel entfällt schrittweise!

Außerdem soll die Subventionierung beim Agrardiesel nicht in einem Schritt, sondern zeitlich gestaffelt, entfallen.

Folgender Zeitplan gilt:

• 2024: Reduzierung des Entlastungssatzes um 40%
• 2025: Weitere Reduzierung um 30%
• 2026: Nochmals Reduzierung um 30%, keine Subvention mehr für in diesem Jahr verbrauchte Mengen
• Rückvergütung für 2023: Die im Jahr 2023 verbrauchten Mengen werden 2024 unverändert rückvergütet

3. Strompreispaket kommt wie geplant!

Es soll die Stromsteuer für die Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft deutlich senken.