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Gaspreisbremse: Sicher durch den Winter?

Dezember-Gutschrift auf Gas und Fernwärme, Gaspreisdeckel ab März 2023 – die Vorschläge der Gaskommission sollen Privatkunden und kleine Unternehmen in der Energiekrise schnell und wirksam entlasten. Das musst du wissen.

Fördermittel, Zuschüsse & Liquiditätshilfen für kleine Unternehmen

Atomkraftwerk mit dampfenden Kühltürmen, im Vordergrund ein Rapsfeld.
All in oder out: Wie weiter mit der Atomkraft in der Krise?

Entlastung durch die Gaspreisbremse: Die Vorschläge der Gaskommission

Wie bedrohlich die Abhängigkeit von russischem Gas für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2022 sein würde, vermochten politische Verantwortliche vor der „Zeitenwende“am 24. Februar nicht vorherzusehen. Wie Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) jetzt auf einer Veranstaltung in Lissabon bekräftigte, sei der Bezug von billigerem Gas eine „rationale und nachvollziehbare“ Entscheidung gewesen, die man auch im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Kohle- und Atomausstieg bewerten müsse. Darüber hinaus sei Russland „selbst im Kalten Krieg (...) ein verlässlicher Energielieferant“ gewesen.

Ich hab nie daran geglaubt, dass es sowas gibt wie Wandel durch Handel, aber durchaus Verbindung durch Handel. Und insofern bereue ich Entscheidungen überhaupt nicht, sondern glaube, dass es aus der damaligen Perspektive richtig war.

Kommentar von Alt-Kanzlerin Angela Merkel

Fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland heizt mit Erdgas

Laut Schätzungen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) heizt fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland mit Erdgas. Wie dies im nächsten Jahr noch gelingen soll, wissen viele von ihnen nicht genau.

Die Großhandelspreise bewegen sich auf einem historisch hohen Niveau und sind ein zentraler Grund für die steigende Inflation. Eine Kilowattstunde Gas kostet im Mittel derzeit 28,3 ct für Neukunden. Vor einem Jahr um diese Zeit lag der Preis für Neukunden bei 6,8 ct pro Kilowattstunde. (...) Im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 1.000 Terawattstunden Erdgas verbraucht, davon 40 Prozent durch die privaten Haushalte und kleineren Gewerbekunden und 60 Prozent durch die Gasverstromung und die großen Industriekunden.  

– aus dem Zwischenbericht der Gaskommission

Der Gas- und Fernwärmepreisanstieg sowie der gleichzeitige Strompreisanstieg erzeugen einen enormen Kostendruck auf private und gewerbliche Gaskunden. Entlastung verspricht nach dem Aus für die Gasumlage nun der Zwischenbericht der Gaskommission, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Das Expertengremium unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Veronika Grimm machte klar, welche Prioritäten bei der Ausarbeitung der Vorschläge für die Gaspreisbremse maßgeblich waren. 

3 Prioritäten der Gaskommission

  1. Schnelle Entlastungswirkung
  2. Wirksamer Schutz vor finanzieller Überforderung
  3. Beibehaltung von Sparanreizen

Es sein nun unbedingt erforderlich, alles zu unternehmen, um sicher durch den kommenden Winter zu kommen. Die Gaspreiskrise werde Deutschland jedoch bis mindestens in das Jahr 2024 hinein stark fordern. Die Herausforderungen im Winter 2023/24 werden laut Meinung der Expertinnen und Experten mindestens genauso groß sein wie in diesem Winter – wahrscheinlich seien sie sogar größer. Die Bundesregierung solle darum schon heute Maßnahmen ergreifen, die auch mittelfristig bei der Bewältigung der Gaspreiskrise helfen können:

Die Kommission hält es für erforderlich, dass wir mindestens 20 Prozent Gas einsparen. Darüber hinaus gehende Einsparungen helfen, einer Gasmangellage vorzubeugen und die Großhandelspreise zu senken.

– Empfehlung der Gaskommission

Im Kern schlägt die Gaskommission ein zweistufiges Entlastungsprogramm vor, das über die Gasversorger abgewickelt werden soll.

Stufe 1: Einmalzahlung an Gas- und Fernwärmekunden im Dezember 2022

  1. Einmalzahlung an Gaskunden: Gas- und Fernwärmekunden erhalten im Dezember 2022 eine Einmalzahlung auf Basis des Verbrauchs, welcher der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wird. Der monatliche Abschlag ermittelt sich aus dem erwarteten Jahresverbrauch. Der zugrunde gelegte Monat September berücksichtigt Umzüge oder Vertragswechsel und soll Missbrauch verhindern (versteckte Abschlagserhöhungen für größere Erstattungsleistung).
  2. Versorger in der Pflicht: Der Abschlag wird vom Staat an den Versorger gezahlt. Dieser zieht das Geld in der Jahresrechnung für 2022 ab, so dass Mieter, Vermieter oder Eigentümer unterm Strich weniger Energiekosten für das Jahr 2022 bezahlen.
  3. Geldwerter Vorteil mit Steuerfreibeträgen: auf Empfehlung der Kommission soll die Dezember-Gutschrift für Gas- und Fernwärmekunden als geldwerter Vorteil in der Einkommensteuererklärung für 2022 angegeben werden müssen (diesbezügliche Steuerfreibeträge sind zu entscheiden)

Stufe 2: Gaspreisbremse ab März 2023

Ab März 2023 bis mindestens Ende April des Jahres 2024 soll dann die Gaspreisbremse wirken. Hierfür soll der Staat den Gaspreis auf zwölf Cent pro Kilowattstunde deckeln. Auch hier handele es sich um eine Angelegenheit zwischen Staat und  Versorgungsunternehmen: Liegt der vertraglich mit einem Kunden vereinbarte Preis über diesen zwölf Cent, zahle der Staat die Differenz an den Versorger. Dieser rechnet entsprechend ab.

Gaspreisdeckel nur bis 80 Prozent des Gasverbrauchs

Der Zwölf-Cent-Deckel gilt nur für 80 Prozent des Gasverbrauchs wiederum im September 2022. 

Wärmepreisbremse für Fernwärmekunden 

Da auch Fernwärmekunden durch den steigenden Gaspreis betroffen sind, empfiehlt die Gaskommission, dass auch für diese eine Wärmepreisbremse eingeführt werden soll. Analog zum Gaspreis soll deshalb ein garantierter Brutto-Preis von 9,5 ct/kWh für Fernwärme für ein Kontingent von 80 Prozent eingeführt werden. 

Spezielle Gaspreisbremse für die Industrie bereits ab 1. Januar 2023

Große industrielle Verbraucher (größer 1,5 Mio kWh/a) will die Gaskommission mit einem eigenen Entlastungsinstrument adressieren. Es handele sich hierbei in Summe um ca. 24.000-25.000 betroffene Unternehmen.  

Wir haben ein grundsätzlich zu entlastendes Kontingent des Gasverbrauches eines Unternehmens definiert. Das Kontingent bemisst sich im Regelfall an 70 Prozent des Verbrauches des Jahres 2021. Für den verbleibenden Anteil wird der volle vertraglich vereinbarte Marktpreis fällig. Dadurch wird ein starker Sparanreiz gesetzt. (...) Für das zu entlastende Kontingent wird ein Arbeitspreis von sieben Cent pro Kilowattstunde definiert. 

– Empfehlung der Gaskommission

Die geförderte Gasmenge kann das verbrauchende Unternehmen für seine Zwecke nutzen oder am Markt verwerten. Die gewährte Subvention wird über den Gaslieferanten organisiert. Für die Inanspruchnahme des Programms müssen Unternehmen sich bei ihrem Versorger anmelden.

Gaspreisbremse: Wie entscheidet die Bundesregierung?

Die Kommission legt mit diesem Bericht ein erstes Zwischenergebnis ihrer Arbeit vor und wird diese auftragsgemäß noch bis Ende Oktober fortsetzen. Inzwischen hat auch der Bundestag am Mittwoch in einer aktuellen Stunde die vorläufigen Vorschläge der Expertinnen und Experten debattiert.

„sehr, sehr gute Grundlage“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Vorschläge der Gaspreis-Kommission als „sehr, sehr gute Grundlage“. Dr. Matthias Miersch (SPD) versprach zudem, dass auch die Nutzer von Ölheizungen und Besitzer von Pelletheizungen in das Hilfsprogram aufgenommen würden. Zudem müsse sichergestellt werden, dass „die Energieversorger die Lage nicht dafür nutzen und die Abschläge weiter erhöhen“. 

Gaspreisbremse kommt zu spät

Die Opposition übte starke Kritik. Andreas Jung (CDU/CSU-Fraktion) warf der Regierung vor, „viel zu spät gehandelt zu haben“. Bereits im Juli, als Bundeskanzler Scholz den Menschen versprach, „keinen alleine zu lassen“, hätte die Gaspreisbremse verabschiedet werden müssen. 

Gleichzeitig wolle die Unionsfraktion konstruktiv bei der Suche nach Lösungen für die nun vorgelegten Pläne mitarbeiten. Vor allem müssten auch Heizarten wie Öl und Pellets in den Förderkatalog aufgenommen werden. Darüber hinaus gelte es, „sich um Menschen mit niedrigen und mittleren Gehältern zu kümmern“, sagte Jung. Zudem solle die Bundesregierung sich „einen Ruck geben“ und „endlich auch Biomasse und Atomkraft als Energieträger weiter nutzen“.

„rote Linien“ der Energiepolitik

Auf dem Parteitag der GRÜNEN am Freitag erteilte die GRÜNE Basis dieser Forderung nur eine Teilzusage. Den Vorschlag von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, zwei AKWs – Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern – noch bis zum 15. April in Reserve zu halten, um die Stromversorgung zu sichern, billigten die Mitglieder. Gleichzeitig machten die Delegierten klar, welche „roten Linien“ dabei nicht überschritten werden dürften:

Bündnis 90/Die Grünen werden im Bundestag keiner gesetzlichen Regelung zustimmen, mit der neue Brennelemente, noch dafür notwendiges neues angereichertes Uran beschafft werden sollen.

–  Auszug beschlossener Antrag des GRÜNEN-Parteitag

UPDATE: Kanzler beendet Atomstreit der Ampel-Koalition

Um in der aktuellen Energiekrise die Versorgungssicherheit zu erhöhen, sollen alle noch am Netz verbliebenen deutschen Kernkraftwerke kurzfristig leistungsfähig bleiben. Diese Entschiedung diktierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 17. Oktober schriftlich und qua Amt an die zuständigen Ministerien von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (DIE GRÜNEN), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Umweltministerin Steffi Lemke (DIE GRÜNEN).

„Autoritätsreserve“

Der Kanzler nutzt seine Richtlinienkompetenz, nachdem mehrere persönliche Treffen in der Sache ergebnislos geblieben waren und inzwischen die Zeit drängt. Der beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie zum Jahresende erfordert für jede Abweichung eine neuerliche Gesetzgebung. Um einen sicheren Weiterbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 & Emsland zu gewährleisten, muss diese Gesetzesänderung noch in der aktuellen KW beschlossen werden. Der Brief des Bundeskanzlers ebnet nun hierfür den Weg.   

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Über den Autor
Kathleen Händel

Kathleen Händel

Kathleen schreibt seit 2018 im Magazin von Unternehmenswelt und Zandura über die wichtigsten Business-Themen & Trends für Gründer & Unternehmer. Zuvor war Kathleen als Redakteurin für die Social Startup-Szene, verschiedene Stiftungen und Kommunikationsagenturen tätig.

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