GWB-Digitalisierungsgesetz: Wettbewerbsrecht 4.0
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Wettbewerbsrecht 4.0 mit Durchschlagkraft?
Das sind die Kernelemente des GWB-Digitalisierungsgesetzes
Das Bundeskabinett hat am 9. September dem von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgelegten Entwurf einer Neufassung des GWB-Digitalisierungsgesetzes zugestimmt. Der vollmundige "Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 (GWB-Digitalisierungsgesetz)“ steht nun zur Abstimmung in Bundestag und Bundesrat. Es subsummiert insbesondere die Vorschläge einer vom BMWi beauftragten Studie zur "Reform der Missbrauchsaufsicht" sowie die Arbeit der "Kommission Wettbewerbsrecht 4.0".
Folgende Neuerungen sieht das GWB-Digitalisierungsgesetz vor:
1. Neufassung der sogenannten "Essential Facilities Doctrine"
Der Terminus "Essential Facilities Doctrine" bezeichnet eine Lehre, die den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch sogenannte Geschäftsverweigerung unterbinden soll. Wettbewerbern soll in Zukunft der Zugang zu nicht oder schwer duplizierbaren Einrichtungen (essential facilities) eines marktbeherrschenden Unternehmens erleichtert werden. Was in der analogen Welt z.B. der Streit um das Schienennetz abbildet, dessen Zugang ein marktbeherrschendes Unternehmen erschweren kann, dem entspricht im digitalen Verkehr der Zugang zu Daten.
Nach Willen der nun auf den Weg gebrachten Novelle des GWB-Digitalisierungsgesetzes darf ein marktbeherschendes Unternehmen diesen Zugang eben nicht behindern. Im Gegenteil, wenn sich Big Data Konzerne, Plattformriesen oder smarte Hersteller weigern, kleinen Digitalunternehmen Zugang zu Daten zu gewähren, dann kann dieses Verhalten künftig unter bestimmten Umständen wettbewerbsrechtlich missbräuchlich sein.
Nicht zu früh freuen: Altmaier agiert hasenfüßig
Zwar besteht in der jetzigen Fassung des Entwurfs erstmals ein gesetzlich geregelter Anspruch für einen "Zugang zu individualisierten Nutzungsdaten", die Durchsetzung dieses Anspruchs überlässt der Bundeswirtschaftsminister aber lieber Anderen. Mit dem Passus, dass "die weitere Entwicklung der Voraussetzungen des Datenzugangs […] bewusst der Anwendungspraxis und der Rechtsprechung überlassen" werde, nimmt sich Altmaier aus der Pflicht.
2. Besondere Verhaltenspflichten für große Plattformen per definitionem
Die Novelle des GWB-Digitalisierungsgesetzes sieht außerdem die Etablierung eines Eingriffstatbestandes mit besonderen Verhaltenspflichten für große Plattformen vor, deren überragende marktübergreifende Bedeutung das Bundeskartellamt zuvor festgestellt hat.
Die oberste Wettbewerbsaufsicht darf künftig vielfältige Verbote aussprechen, sofern sie eine marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens als erwiesen anerkennt. Dazu zählen z.B. Unterlassungsverbote für sogenanntes self-preferencing, wenn es darum geht, eigene Angebote beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten vor jenen relevanter Mitbewerber zu bevorzugen. Auch wenn Big Data Konzerne versuchen Wettbewerber auf einem Markt, auf dem sie ihre Stellung schnell ausbauen könnten, zu behindern, kann das Bundeskartellamt zukünftig Verbote aussprechen. Gleiches gilt, sofern ein marktbeherrschendes Unternehmen versucht die Nutzung der von ihnen gesammelten wettbewerbsrelevanten Daten durch ein anderes Unternehmen zu behindern oder die Portabilität von Nutzerdaten zu erschweren.
3. Maßnahmen zur Verhinderung eines "Kippen" des Marktes werden verschärft
Der Bundeswirtschaftsminister will bestimmte Maßnahmen, die ein "Tipping" bzw. "Kippen" von Märkten ins Monopol herbeiführen könnten, stärker reglementieren. Neu ist hier insbesondere der wichtige Passus, dass ein solches Tipping bereits für Unternehmen mit "überlegener Marktmacht" greifen kann und nicht erst im Fall tatsächlicher Marktbeherrschung. "Tipping" ist nicht per se wettbewerbswidrig. Ein Unternehmen kann sich als leistungsstärkster Wettbewerber durchaus zum Monopolisten entwickeln. Als missbräuchlich wird jedoch gesehen, wenn dahinter eine gezielte Behinderung von Wettbewerbern steht und ein unangreifbares Monopol droht.
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Rechtsexperten warnen, dass die weiten Formulierungen des Gesetzesentwurfs und die Verschärfung ausgesprochener Verbote fälschlicherweise wettbewerbskonformes Verhalten einschließen könnten. Mittels privater Klagen könnten zudem Mitbewerber versuchen, auf dem Rücken des Wettbewerbsrechts Innovationen zu verhindern.
4. Oberste Wettbewerbsaufsicht wird in Befugnissen gestärkt
Das Bundeskartellamt kann künftig unter erleichterten Voraussetzungen einstweilige Maßnahmen erlassen, um den Wettbewerb zu sichern. Dies geschieht unter anderem durch erweiterte Interventionsbefugnisse und ist auf Unternehmen gerichtet, die eben jene „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ haben.
Das Bundeskartellamt kann solche Unternehmen via Verfügung benennen und verschiedene Verhaltensweisen, die vorab in einem Katalog benannt werden, untersagen. Dazu zählen wie bereits erwähnt das Verbot, eigene Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern zu bevorzugen. Ebenfalls soll das sogenannte Aufrollen noch nicht beherrschter Märkte verhindert werden. Den betreffenden Unternehmen soll es untersagt werden, neue Märkte z.B. mit Kampfpreisstrategien, Exklusivitätsvereinbarungen oder Bündelangeboten zu erschließen.
5. Beweislast liegt künftig beim Beklagten
Wird in Zukunft gegenüber einem Unternehmen ein solches Verbot der "missbräuchlichen Nutzung von Daten" ausgesprochen, so soll nicht länger das Bundeskartellamt hierfür die Beweislast tragen, sondern das Unternehmen selbst muss in diesem Fall seine u.U. wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen rechtfertigen.
Weiterhin enthält die Neufassung des GWB-Digitalisierungsgesetzes neue Vorschriften der formellen Fusionskontrolle sowie Nachbesserungen im Bereich des Kartellschadensersatzes, um die wirksame
Durchsetzung von Ansprüchen gegen kartellbeteiligte Unternehmen zu gewährleisten.
Das soll mit dem neuen GWB-Digitalisierungsgesetz erreicht werden
- Das Bundeskartellamt als zuständiges Organ für die Überwachung und Durchsetzung des Kartellrechts soll gestärkt werden.
- Gegen Monopolisierungs- und Marktabschottungsstrategien soll ein wirksamer Handlungsrahmen geschaffen werden. Der Wirkmacht von § 1 GWB soll zu praktischer Durchsetzungsfähigkeit in der Economy 4.0 verholfen werden. Der freie Markt bleibt erhalten, der Mißbrauch von Marktmacht gleichzeitig unterbunden.
- Die Wettbewerbsfähigkeit europäischer und deutscher Digitalunternehmen soll mit der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gestärkt werden.
Stimmen aus der Wirtschaft: Pro und Contra zum neuen GWB-Digitalisierungsgesetz
„Mit der vom Bundeskabinett beschlossenen GWB-Novelle ist aus Sicht des Handwerks eine Regelung auf den Weg gebracht, mit der der Wettbewerb in der Datenökonomie auf eine faire Grundlage gestellt werden kann. Eine gute Nachricht für das Handwerk ist vor allem, dass im GWB künftig eine grundsätzliche Datenteilung zwischen industriellen Herstellern und handwerklichen Dienstleistern vorgeschrieben werden soll. Bislang beanspruchen Hersteller smarter Geräte die Daten, die bei der Nutzung anfallen, für sich allein. Und sie schließen damit handwerkliche Tätigkeiten aus, die auf diesen Daten basieren."
(Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH))
Die vorgesehene Datenteilung sei laut Schwannecke ein wichtiger Beitrag, um für faire Wettbewerbsbedingungen und Marktgerechtigkeit zu sorgen. Angesichts der wachsenden Bedeutung smarter Geräte entscheide der Zugang und die Verfügbarkeit von anfallenden relevanten Daten auch im Handwerk immer stärker über die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit.
Handwerksbetriebe in nachgeordneten Märkten benötigten zum Beispiel für Wartungsdienstleistungen den fairen Zugang zu Daten. Besonders betroffen seien etwa Werkstätten für Kraftfahrzeuge oder auch Landmaschinen, die Dienstleistungen im Rahmen einer vorausschauenden Wartung nur anbieten könnten, wenn sie direkten Echtzeitzugang zu den Daten aus den Fahrzeugen haben. Auch bei Smart-Home- Systemen würden sich Zugangsprobleme für unabhängige Serviceanbieter aus dem Elektro-, Heizung- und Klima- Handwerk ergeben, die das neue GWB-Digitalisierungsgesetz auszuhebeln imstande sein könne.
Bitkom mahnt: Innovationen könnten verhindert werden
Zurückhaltender betrachten Vertreter der Digitalwirtschaft den vorgelegten Entwurf. Insbesondere der neu geschaffene Paragraph 19a, mithilfe dessen das Bundeskartellamt künftig leichter und schneller gegen mutmaßlichen Wettbewerbsmißbrauch vorgehen soll, steht in der Kritik.
Mitglieder des Bitkom mahnen, dass "eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb", die nach Willen der Neufassung bereits eine Handlungsbefugnis des Bundeskartellamts rechtfertigt, nicht ohne weiteres wettbewerbswidriges Verhalten bedeutet, sondern schlicht wettbewerblich neutrales oder einfach kompetitives Verhalten bezeichnen könne. Innovationen und inneres Wachstum von Unternehmen würden durch diese weitreichende Formulierung u.U. verhindert.
Rechtsexperten kritisieren weiterhin einen befürchteten Alleingang der Bundesregierung, stimme sie in allen Häusern dem Entwurf zu. Zielführender sei ein einheitlicher Regulierungsrahmen auf europäischer Ebene, will der Gesetzgeber keine nationale Überregulierung riskieren. Denn diese würde letztlich das eigentliche Ziel - eine Stärkung des Digitalstandorts Deutschland schlichtweg verfehlen.
GWB-Digitalisierungsgesetz: Quellen Links
Den Referentenentwurf zur 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen kannst du auf der Website des BMWi downloaden.
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