Mietminderung Corona: Alles, was du wissen musst
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§ 313 BGB: Ist COVID-19 eine Störung der Geschäftsgrundlage?
Bereits im März 2020 hatte die Bundesregierung aufgrund der behördlichen Anordnung von Betriebsschließungen (Lockdown-Maßnahmen) Erleichterungen im Zivilrecht beschlossen. Betroffene Unternehmen erhielten mehr Spielraum in Verhandlungen mit ihrem Vermieter (Einschränkung des Kündigungsrechts; Möglichkeit der Stundung laufender Mietzahlungen). Entspannte sich die Situation während der Sommermonate, folgten ab Oktober 2020 neue Restriktionen: Sperrstunden, Beherbergungsverbote, Lockdown Light waren die Konsequenz auf erneut steigende Infektionszahlen. Nach zehn Monaten andauernder Corona-Krise befinden wir uns aktuell im dritten Lockdown: Gastronomen, Veranstalter, Hoteliers, Händler und Dienstleister dürfen ihr Geschäft nicht oder nur stark eingeschränkt ausüben.
In einer solchen Situation stellt die fortlaufende Zahlung der gewerblichen Miete für viele kleine Unternehmen eine enorme finanzielle Belastung dar. Bei fehlenden oder erheblich reduzierten Einnahmen kann dies schnell zu einer wirtschaftlichen Schieflage führen.
Mietrechtliches und allgemeines Leistungsstörungsrecht sind anwendbar
Bis zuletzt konntest du sowohl das mietrechtliche als auch das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwenden, um eine coronabedingte Anpassung deiner Miethöhe zu erzielen. Dazu zählen insbesondere
- die Mietminderung gemäß § 536 BGB sowie
- das Recht auf Vertragsanpassung infolge der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB.
Tipp: Ein Mangel im Sinne des § 536 BGB kann laut Gesetzgeber im Zusammenhang mit den öffentlich-rechtlichen Beschränkungen - jedoch immer in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls und den konkreten vertraglichen Vereinbarungen - grundsätzlich seit Beschluss des ersten Lockdown vom 22. März 2020 vorliegen.
Behördlich angeordnete Schließungen können darüber hinaus zu einer schwerwiegenden Veränderung der Grundlage des Mietvertrages im Sinne des § 313 BGB führen. Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zur jetzt gefundenen Neuregelung im Einführungsgesetz des BGB klargestellt, dass diese Auffassung gleichfalls rückwirkend für die Monate April bis Juni 2020 zur Anwendung kommen kann.
Appell an Verhandlungsbereitschaft und Risikoverteilung der Vertragsparteien
In der Praxis hat sich dennoch gezeigt, dass die realen Verhandlungen mit deinem Vermieter stark Einzelfall abhängig sind und immer noch große Unsicherheiten über die Tragweite pandemiebedingter Vertragsanpassungen bestehen.
Abseits des Kündigungsschutzes einschließlich Mietstundungen im Zeitraum 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 zögerten Vermieter häufig eine grundsätzliche Vertragsanpassung vorzunehmen. Sie warfen dem Gesetzgeber stattdessen vor, die Lasten der Pandemie zuungunsten der Vermieter aufzuteilen. Man habe es versäumt klarzustellen, dass mit der Aussetzung des Kündigungsrechts eine Aussage über die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien verbunden ist, die im Hinblick auf die Pflicht zur Mietzahlung bei pandemiebedingten Nutzungseinschränkungen gilt. Daher fänden weder die Mietminderung noch die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Absatz 1 BGB Anwendung.
Die Bundesregierung hat jetzt reagiert und versteht den neu formulierten Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen als entsprechendes Korrektiv, das gleichzeitig die Verhandlungsposition der Gewerbemieter stärken soll. Artikel 240 § 7 EGBGB ist dein klarer Beleg für eine Anerkennung COVID-19 induzierter Beschränkungen im Sinne einer "Störung der Geschäftsgrundlage" gemäß § 313 BGB.
Der Gesetzgeber bekräftigt damit die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien im Hinblick auf die Pflicht zur Mietzahlung bei pandemiebedingten Nutzungseinschränkungen und appelliert gleichzeitig an die Verhandlungsbereitschaft zwischen den Vertragsparteien.
Gut abwägen: Mangel oder Störung der Geschäftsgrundlage?
Trotz der Neueinführung des Artikel 240 § 7 EGBGB stellt die Bundesregierung klar, dass allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte vorrangig gegenüber § 313 BGB ("Störung der Gechäftsgrundlage") zu behandeln sind. Eine Betriebsschließung infolge des Lockdown kann also auch einen Mangel im Sinne von § 536 BGB darstellen.
Du musst dich im Zweifelsfall entscheiden, welcher Argumentationsweg am aussichtsreichsten erscheint, um das für dich beste Verhandlungsergebnis zu erzielen. Dies gilt umso mehr, sobald juristische Verfahren anhängig sind.
Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. (2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.
Beschleunigte Verfahren: Rechtsweg bringt im Zweifelsfall schneller Klarheit
Du bist durchaus verhandlungsbereit, aber dein Vermeiter stellt sich nach wie vor gegen eine corona-bedingte Mietminderung? Musstest du in der Vergangenheit einen langwierigen Rechtsweg beschreiten, so gibt dir eine weitere vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung jetzt den nötigen Rückenwind.
§ 44 (1) EGZPO bekräftigt ein "Vorrang- und Beschleunigungsgebot" und sieht vor, dass "Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (..) vorrangig und beschleunigt zu behandeln" sind.
Ganz konkret soll in den betreffenden Verfahrenssachen "ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden" (vgl. § 44 (2) EGZPO).
Erinnerung: Gestundete Mieten müssen bis zum 30.6.2022 zurückgezahlt werden
Mietrückstände aus dem Zeitraum Anfang April bis Ende Juni 2020 – soweit sie auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhten – dürfen unabhängig von neuen Verhandlungen mit deinem Vermieter auch weiterhin nicht zur Begründung einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung herangezogen werden. Du bleibst aber trotzdem zur Zahlung verpflichtet. Ganz konkret noch bis zum 30.6.2022 hast du Zeit, coronabedingte Mietrückstände aus dem ersten Lockdown auszugleichen.