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November- und Dezemberhilfen: Droht eine Klagewelle?

Alle sind gleich, manche sind gleicher? Einzelhändler sehen sich bei der Vergabe der Corona-Hilfen benachteiligt und legen Rechtsgutachten vor. Unberücksichtigt in den November- und Dezemberhilfen fordert der Handelsverband Deutschland jetzt Nachbesserungen für seine Mitgliedsunternehmen und kritisiert Verstöße gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz.

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Einzelhandel pocht auf November- und Dezemberhilfen

Lockdown-Krimi: Wer hat Anspruch auf November- und Dezemberhilfen?

Mit dem Lockdown Light im vergangenen November erlebten zahlreiche kleine Unternehmen eine weitere Zäsur ihres regulären Geschäftsbetriebs während der Corona-Krise. Unternehmen und Betriebe der Gastronomie, Einrichtungen der Freizeitgestaltung wie Theater, Kinos, Konzerthäuser oder Messen, Freizeit- und Amateursportbetriebe, Schwimmbäder, Saunen und Fitnessstudios sowie Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege, mit Ausnahme von Friseuren mussten einstweilig schließen und erhielten zusätzliche Wirtschaftshilfen in Form der Novemberhilfe.

Wider Erwarten sollten diese Maßnahmen nicht genügen, um die zweite Corona-Welle zu brechen, woraufhin die Bundesregierung erneut und zunächst bis zum Beginn der Weihnachtsfeiertage die Lockdown-Beschlüsse verlängerte, in diesem Fall kompensiert durch die sogenannte Dezemberhilfe. Ab dem 16. Dezember galten Betriebsschließungen dann auch für zahlreiche nicht systemrelevante Einzelhandelsunternehmen. 

Nach technischen Startschwierigkeiten und Auszahlungsverzögerungen der außerordentlichen Wirtschaftshilfen erfolgten schließlich zum Jahresbeginn 2021 noch einmal strukturelle Verbesserungen der November- und Dezemberhilfen. Doch davon profitierten lediglich die ohnehin bezugsberechtigten Unternehmen, nicht jedoch kleine Einzelhändler.

Keine Umsatzentschädigungen für kleine Handelsunternehmen

Anders als z.B. Betriebe der Gastronomie, wurde der Einzelhandel bei den von der Politik vorgesehenen Umsatzentschädigungen der November- und Dezemberhilfen bislang nicht berücksichtigt. Konnten Gastronomen Erstattungen in Höhe von bis zu 75 Prozent ihrer ausgefallenen Umsätze erhalten, verwies die Bundesregierung kleine Händler stets auf Kompensationen im Rahmen der Überbrückungshilfe II und III.

In einer Pressemitteilung vom Sonntag kündigt der Handelsverband Deutschland nun mögliche juristische Schritte seiner Mitgliedsunternehmen gegen diese proklamierte Ungerechtigkeit an. Man müsse mit mehreren tausend Verwaltungsklagen von Einzelhändlern rechnen. Der HDE unterstütze seine Mitglieder und habe bereits eine Muster-Klageschrift vorbereitet.

Zehntausende Händler prüfen den Rechtsweg

So hätten bereits rund zehntausend vom Lockdown betroffene Einzelhändler bis zum 30. April 2021 Unterstützungsleistungen nach den Regeln der November- bzw. Dezemberhilfen beantragt, obgleich diese eigentlich nicht für sie vorgesehen sind. Dies gehe aus einer aktuellen Umfrage des HDE unter mehr als 1000 Mitgliedsunternehmen sowie aus HDE-Hochrechnungen hervor.

Die Anträge wurden gestellt, um nach Abschluss des verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens entsprechende Unterstützungsleistungen wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gerichtlich durchsetzen zu können. Zur Vermeidung dieser Klagewelle mit unnötigen Kosten für die Steuerzahlerinnen fordert der HDE jetzt eine Anpassung und Aufstockung der Überbrückungshilfen bzw. eine entsprechende Schadensregulierung nach EU-Recht:

Viele Einzelhändler waren ab dem 16. Dezember 2020 wegen der Corona-Maßnahmen geschlossen. Trotzdem haben sie keinen Anspruch auf die großzügigere November- und Dezemberhilfe. Das ist eine klare Ungleichbehandlung im Vergleich zur Gastronomie.

- HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth

Rechtsgutachten: November- & Dezemberhilfe steht allen Betroffenen zu

Gewichtige Unterstützung erhält der HDE durch ein bereits vor einigen Wochen selbst in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. Die Rechtsanwälte der renommierten Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB nehmen in diesem 60-seitigen Dokument ausführlich Stellung zum Vorwurf einer möglichen Ungleichbehandlung des Einzelhandels und beziehen sich auf den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Gleichheitssatz im Grundgesetz.

Ungleichbehandlung von im Wesentlichen Vergleichbaren

Die beiden Gutachter RA Dr. Holger Schmitz und RA Hendrik Schlutt kommen zu dem Schluss, dass bei den Antragsbedingungen der November- und Dezemberhilfe tatsächlich eine "Ungleichbehandlung von im Wesentlichen vergleichbaren Sachverhalten und Personengruppen" vorliege.

So profitierten die bereits im Rahmen des Lockdown Light von Betriebsschließungen betroffenen Unternehmen und Betriebe u.a. der Gastronomie und des Gastgewerbes von deutlich besseren Entschädigungskonditionen im Programm der November- und Dezemberhilfe, als "nicht-privilegierte" Unternehmen des Einzelhandels, die ab dem 16. Dezember lediglich auf Kompensationen in der Überbrückungshilfe II und III zurückgreifen konnten.

November- und Dezemberhilfe: Konditionen Recap

Planmäßig antragsberechtigte Unternehmen und Betriebe erhalten Zuschüsse von bis zu 75 % des Umsatzes aus November bzw. Dezember 2019 anteilig für die Anzahl an Schließtagen im November bzw. Dezember 2020. Erzielte ein Unternehmen trotz grundsätzlicher Schließung im November bzw. Dezember Umsätze, so werden diese bis zu einer Höhe von 25 % des Vergleichsumsatzes nicht angerechnet. Um eine Überförderung von mehr als 100 % des Vergleichsumsatzes zu vermeiden, erfolgt bei darüberhinausgehenden Umsätzen eine entsprechende Anrechnung. Darüber hinaus gelten Sonderregelungen für Umsätze aus Außer-Haus-Verkauf unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuerabsenkung.

Überbrückungshilfe: Konditionen Recap

Die Überbrückungshilfe III hingegegen erstattete im ersten Entwurf lediglich einen Anteil in Höhe von bis zu 90 % der förderfähigen Fixkosten für Umsatzeinbrüche von mehr als 70 %, bis zu 60 % der förderfähigen Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch von 50 % bis 70 % und bis zu 40 % der förderfähigen Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch von 30 % bis unter 50 % im jeweiligen Fördermonat und im Vergleich zum entsprechenden Monat des Jahres 2019. Liegt der Umsatzeinbruch in einem Fördermonat bei weniger als 30 % gegenüber dem Vergleichsmonat, entfällt die Überbrückungshilfe III für den jeweiligen Fördermonat. 

75 % Umsatz des Vorjahresmonats deutlich mehr als 90 % der Fixkosten

Noerr kritisiert die unterschiedlichen wirtschaftlichen Bezugspunkte der Förderung – vereinfacht gesagt 75 % des Vorjahresmonatsumsatzes bei der November- und Dezemberhilfe gegenüber bis zu 90 % der Fixkosten in der Überbrückungshilfe. Dadurch entstünde eine sehr ungleiche Begünstigung bzw. Entschädigung der von den Betriebsschließungen des Lockdown Light sowie des Lockdown ab dem 16.12.2020 betroffenen Unternehmen und Betriebe. 

75 % Umsatz des Vorjahresmonats seien bei wirtschaftlich gesunden Unternehmen und Betrieben – je nach Branche – in aller Regel deutlich mehr als 90 % der laufenden Fixkosten. Hinzu komme: Im Fall der für die November- und Dezemberhilfe antragsberechtigten Unternehmen und Betriebe verzichtete die Bundesregierung auf die Anrechnung von bis zu 25 % des Vergleichsumsatzes. Einzelhändler, die einen Antrag auf Überbrückungshilfe stellen sollten, mussten hingegen sämtliche trotz Schließung erwirtschafteten Umsätze im Rahmen der Förderbemessung voll in Abzug bringen. Auch hierin sehen die Juristen eine Ungleichbehandlung.

Wesentliche Vergleichbarkeit trotz gradueller Unterschiede 

Ihre im Rechtsgutachten formulierte Bekräftigung der Annahme einer Ungleichbehandlung begründet Noerr außerdem mit einer wesentlichen Gleichheit der zugrunde gelegten Sachverhalte und Personengruppen.

Diese wesentliche Gleichheit bestehe aus drei Punkten:

  1. Wesentlich gleiche Relevanz der betroffenen Unternehmen für die Versorgung der Bevölkerung
  2. Wesentlich gleiche Betroffenheit durch die Betriebsschließungen
  3. Wesentlich gleiche wirtschaftliche Wirkungen der Betriebsschließungen auf alle Betroffenen  

Längere Betroffenheit führt nicht zu qualifizierter Besserstellung

Zwar gäbe es durchaus graduelle Unterschiede zwischen den Personengruppen und Sachverhalten, diese seien allerdings nicht geeignet, um ihre wesentliche Vergleichbarkeit infrage zu stellen. Die unterschiedliche Dauer der Betriebsschließungen für z.B. Gastronomen (ab November 2020) und Einzelhändlern (ab 16. Dezember 2020) führe laut Noerr nicht dazu, dass die wesentliche Gleichheit zugrundeliegender Sachverhalte und Personengruppen  beseitigt würde. Eine längere Betroffenheit befähige allenfalls zu einer längeren Bezugsdauer staatlicher Corona-Hilfen, nicht jedoch zu einer qualifizierten Besserstellung. 

Handelsverband Deutschland: Presseerklärung und Rechtsgutachten

Das vollständige Rechtsgutachten von Noerr sowie den Wortlaut der Forderungen nach Anpassung der November- und Dezemberhilfen findest du in der Presseerklärung des Handelsverband Deutschland.

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Über den Autor
Kathleen Händel

Kathleen Händel

Kathleen schreibt seit 2018 im Magazin von Unternehmenswelt und Zandura über die wichtigsten Business-Themen & Trends für Gründer & Unternehmer. Zuvor war Kathleen als Redakteurin für die Social Startup-Szene, verschiedene Stiftungen und Kommunikationsagenturen tätig.

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