Unternehmensnachfolge: die Kunst des Loslassens
Businessplan für die Unternehmensnachfolge
Unternehmensnachfolge: Die Situation in Deutschland
Aufgrund fehlender amtlicher Statistiken schätzt das IfM Bonn seit Mitte der 1990er Jahre die Anzahl der Unternehmen in Deutschland, die vor der Übergabe stehen. Die aktuelle Schätzung kommt zum Ergebnis, dass im Zeitraum 2022 bis 2026 etwa 190.000 Unternehmen zur Übergabe anstehen. Fast die Hälfte der Übernahmen werden im Bereich der Unternehmensnahen Dienstleistungen erwartet, gefolgt vom Produzierenden Gewerbe und Handel.
Familienbetriebe im Handwerk brauchen Unterstützung
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) nimmt an, dass mindestens 125.000 Familienbetriebe in den nächsten fünf Jahren einen Unternehmensnachfolger suchen werden.
Bei im Schnitt „fünf, sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ seien dies laut ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke schnell „600.000 bis 800.000 Beschäftigte bundesweit". Dabei stünden die Chancen für eine nachhaltige Betriebsübergabe im Handwerk nicht schlecht:
Ob Gründung oder Übernahme: In beiden Bereichen gibt es für qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker, Meisterinnen und Meister ganz hervorragende Aussichten, denn die Arbeit wird ihnen nicht ausgehen bei all den Zukunftsaufgaben im Klimaschutz, bei der Energie- und Mobilitätswende, beim Wohnungsbau oder der Versorgung einer immer älteren Bevölkerung.
– ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke
Die Hälfte aller Firmeninhaber ist derzeit 55 Jahre und älter
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel stellen das Vorhaben einer Betriebsübernahme jedoch vor Herausforderungen, die frühzeitig adressiert werden müssen. Dies betrifft nicht nur Inhaber/-innen, die älter als 55 Jahre sind, sondern alle Unternehmer/-innen, die sich wünschen, dass ihr Geschäftsbetrieb weiterläuft, wenn sie selbst einmal krankheits- oder unfallbedingt für längere Zeit ausfallen.
Unternehmensnachfolge: was ist zu beachten?
Ein Plan für die Unternehmensnachfolge ist Teil der betrieblichen Notfall-Vorsorge.
Wichtig: Banken machen die Kreditvergabe und die Kreditkonditionen auch davon abhängig, inwieweit ein/-e Unternehmer/-in Vorsorge für die eigene Nachfolge getroffen hat.
Stelle also zu jeder Zeit sicher, dass eine qualifizierte Vertrauensperson, ausgestattet mit den notwendigen Rechten & Pflichten, deine Geschäfte im jeweiligen Fall übernehmen und fortführen darf.
Prozess der Unternehmensübergabe dauert mindestens fünf Jahre
Kalkuliere mindestens fünf Jahre für den gesamten Prozess der Unternehmensübergabe.
Achte bei Planung & Umsetzung auf die folgenden Punkte*:
- Wer eine/-n Nachfolger/-in sucht, muss als Unternehmen attraktiv sein inkl. saubere betriebliche Kennzahlen Entwicklungs- und Marktchancen für Nachfolger sowie Unterstützung der Belegschaft etc.
- Entscheide dich für eine zuverlässige Altersversorgung bzw. -vorsorge & sichere das Familienvermögen
- Informiere dich über alle steuerlichen und rechtlichen Komponenten der Betriebsübergabe (inkl. Rechtsformwahl)
- Gehe aktiv auf die Suche nach passenden Kandidaten für eine Nachfolge
- Kalkuliere genügend Zeit für die Einarbeitung
- Entscheide dich für eine schrittweise oder einmalige Übergabe
- Lege einen Fahrplan fest über beiderseitige Ziele (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortungsbereiche beider Vertragsparteien; Eintritts- bzw. Austrittsdatum)
- Achte auf konkrete Zeitangaben für einzelne Schritte im Übergabeprozess
- In welcher Form soll die Einbindung des Nachfolgers resp. der Nachfolgerin als Angestellte/-r, Führungskraft oder Gesellschafter/-in in das Unternehmen und dessen Kapitalstruktur erfolgen?
- Stelle die Finanzierung sicher: Gründer/-innen die eine Unternehmensnachfolge anstreben, sind in allen Finanzierungsprodukten z.B. der KfW klassischen Neu-Gründungen ebenbürtig; stelle im Finanzplan klar, welche Sicherheiten vorhanden sind und welche Investitionen in Zukunft anstehen
*(Quelle: Unternehmensnachfolge: die optimale Planung, BMWK, München 2019)
Checkliste Unternehmensnachfolge: FAQ
Den Prozess einer Unternehmensnachfolge gehst du Schritt für Schritt und gut vorbereitet, indem du dir einmal kurz Gedanken machst und folgende Grundsatzfragen für dich beantwortest:
1. Unternehmensnachfolge Allgemein
- Ist bereits ein konkreter Übergabetermin bekannt/vorgesehen?
- Vorsicht: Liegt dieser mehr als 5 Jahre in der Zukunft?
- Steht die Grundsatzentscheidung, einen internen (Familie) oder externen Kandidaten zu wählen?
- Gibt es bereits Vorstellungen davon, welche konkreten fachlichen und persönlichen Anforderungen ein Nachfolger erfüllen muss?
- Gibt es im Betrieb bereits eine Notfallregelung für den Fall, dass der Inhaber einmal ausfällt?
2. Gründerperson
- Gibt es in der Familie potenzielle Kandidaten und ist unter diesen jemand bereit den Betrieb zu übernehmen?
- Gibt es eine/-n Außenstehende/-n, welche/-r den Betrieb übernehmen kann?
- Gibt es eine/-n potenzielle/-n Vertraute/-n aus dem Betrieb, welche/-r den Betrieb teilweise übernehmen kann?
- Ist geklärt, nach welchen Kriterien man entscheiden will, wenn mehrere Personen in Betracht kommen?
- Ist geklärt, wie man mögliche Probleme innerhalb der Familie lösen kann?
3. Businessplan Unternehmensnachfolge
- Gibt es einen Zeit-/Meilensteinplan, um die Nachfolge zu planen und umzusetzen?
- Hast du deine Pläne vorab bekannt gemacht?
- Ist deine Planung für beide Seiten akzeptabel?
- Wurde sich bereits mit möglichen steuerrechtlichen Fragen befasst?
- Wurde sich bereits mit möglichen rechtlichen Fragen befasst?
- Ist geklärt, wie Vermögen, Schulden und evtl. offene Reserven behandelt werden sollen?
- Gibt es ausreichende Finanzmittel, um u.U. einzelne Familienmitglieder auszahlen zu können?
- Wurde überschlagen, welche zusätzlichen Kosten für die Nachfolge entstehen, z.B. Honorare, Gutachten?
4. Verkauf
- Gibt es schon Vorstellungen zum Verkaufspreis (Unternehmenswert)?
- Wurde der Kaufpreis auch nachvollziehbar berechnet? Von wem und mit welchem Verfahren?
- Wurde für die Berechnung ein Zinssatz für die Diskontierung festgelegt, der realistisch ist und auch begründet werden kann?
- Wurde mit mehreren Zinssätzen gerechnet, damit man in Verhandlungen weiß, wie sich abweichende Vorstellungen des Käufers auswirken?
- Ist eine „Schmerzgrenze“ für einen Mindestpreis festgelegt, der nicht unterschritten werden darf?
- Wurde ein Abschlag vom Kaufpreis vorgenommen, um die Abhängigkeit vom Inhaber zu berücksichtigen?
5. Unternehmensnachfolge Vertrag
- Wurden alle Annahmen schriftlich festgehalten, um sie später nachvollziehen und ggf. anpassen zu können?
- Soll ggf. auf die Hilfe Dritter zurückgegriffen werden, z.B. Steuerberater, Anwalt, Unternehmensberater?
- Wurde eine gut nachvollziehbare Due-Dilligence-Prüfung bzw. ein Unternehmenscheck durchgeführt?
- Ist geklärt, welche Änderungen vorgenommen werden müssen, z.B. Vertragsanpassungen, Rechtsform, Namen?
- Gibt es einen neutralen Dritten, der als Ansprechpartner für beide Vertragsparteien zur Verfügung steht und ohne Emotionen mögliche Unklarheiten ausräumen kann?
6. Einarbeitung & Übergabe
- Wurde entschieden, wann und in welchem Umfang Mitarbeitende informiert werden sollen?
- Wurde bereits entschieden, wann welche Geschäftspartner informiert werden sollen?
- Ist geklärt, wie der Nachfolger eingearbeitet und allen vorgestellt werden soll?
- Gibt es bei einer Einarbeitung einen Übergabeplan, aus dem hervorgeht, wer wofür bis wann zuständig ist?
Nachfolge regeln: Online-Börsen & Regional-Partner
Sobald du dir darüber im Klaren bist, was dir als Inhaber/-in grundsätzlich wichtig ist und welche Anforderungen du an mögliche externe Nachfolge-Kandidaten stellst, solltest du aktive Akquise betreiben.
Erste Anlaufstelle für Eigentümer/-innen und an einer Nachfolge interessierten Gründerinnen und Gründern ist die Unternehmensnachfolgebörse nexxt-change. Auf der Online-Plattform können sich Kandidaten mit ihrem jeweiligen Gesuch einer breiten Öffentlichkeit präsentieren.
Darüber hinaus unterstützen dich vor Ort die Regionalpartner und Institutionen der Handwerkskammern, Berufs- und Branchenverbände, die KfW-Förderbank und Förderbanken der Länder, die regionalen Bürgschaftsbanken und natürlich deine Hausbank/Sparkasse/ etc..
Kleiner Tipp: Denke bei der Planung an alle Optionen einer Unternehmensnachfolge. Dazu zählen auch langjährige Beschäftigte, die sich mit deiner Unterstützung z.B. für eine Betriebsführung weiterqualifizieren können (Aufstiegs- & Meister-BAföG) oder je nachdem als Gesellschafter in Erscheinung treten. Öffne dein Unternehmen für Nachfolge-Kandidaten aus dem Ausland und überlege dir, wie du dabei helfen kannst, mögliche Barrieren (Sprache; Anerkennung von Berufsabschlüssen) auszuräumen. Migrant Founders spielen eine immer stärkere Rolle für den deutschen Arbeitsmarkt und werden in vielfältigen Förderprogrammen spezifisch unterstützt (kostenfreie Gründungsberatung; Mikrokredite etc.)
Bild-Urheber:
iStock.com/Dimensions