Lockdown light: Bund-Länder-Beschluss wiegt schwer
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Bund-Länder-Beschluss: Das sind die Maßnahmen und Soforthilfen
Einstimmig haben Bundeskanzler und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer am Mittwoch neue Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. Die als Lockdown light klassifizierten Anstrengungen sollen helfen, eine nationale Gesundheitsnotlage zu vermeiden.
Konkret ab dem 2. November und für den ganzen Monat gelten deshalb innerhalb Deutschlands verschärfte Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum. Betriebe der Hospitality Branche, Freizeit- und Veranstaltungsunternehmen müssen schließen. Alle Maßnahmen im Überblick:
- Maximal 10 Personen im öffentlichen Raum: Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands sollen auf ein absolut nötiges Minimum reduziert werden. Ganz konkret darfst du ab sofort nur noch mit Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes, jedoch in jedem Fall mit maximal 10 Personen zusammenkommen.
- Keine privaten Reisen oder touristische Übernachtungen: Auf nicht notwendige private Reisen und Besuche - auch von Verwandten - soll verzichtet werden. Übernachtungsangebote im Inland werden nur noch für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung gestellt.
- Freizeiteinrichtungen müssen schließen: Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, werden geschlossen. Dazu zählen Theater, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Bordelle, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen.
- 4-wöchiges Veranstaltungsverbot: Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden mit Inkrafttreten des Bund-Länder-Beschlusses untersagt.
- Gaststätten, Bars und Clubs müssen schließen: Gastronomiebetriebe sowie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen müssen ab dem 2. November schließen. Möglich bleibt weiterhin der Außer-Haus-Betrieb in Form von Lieferung und/oder Take Away. Der Betrieb von Kantinen bleibt weiterhin gestattet.
- Ausgewählte Dienstleistungsbetriebe müssen schließen: Kosmetikstudios und Massagepraxen werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo- und Logotherapien sowie Podologie/Fußpflege bleiben weiter möglich. Friseursalons bleiben unter den bestehenden Hygiene-Auflagen geöffnet.
- Homeoffice eindringlich gefordert: Wo immer umsetzbar, fordern Bund und Länder die Unternehmen auf, Homeoffice oder mobiles Arbeiten zu ermöglichen.
Lockdown Light: Welche Sorthilfen können Unternehmer jetzt erhalten?
Von den Schließungen betroffene Unternehmen sollen für den Monat November einen Ausgleich der ausgefallenen Umsätze bis zu 75% im Vergleich zum Vorjahresmonat erhalten. Für Gründer, deren Unternehmen im vergangenen Jahr noch nicht existierte, gilt der Umsatz im Oktober 2020 als maßgebliches Kriterium. Für Soloselbstständige hat das BMF inzwischen ein Wahlrecht vorgesehen. Sie können als Bezugsrahmen für ausgefallene Umsätze im November 2020 auch den durchschnittlichen Vorjahresumsatz im gesamten Zeitraum 2019 zugrunde legen.
Der Teufel steckt im Detail
Unklar ist per dato wie weitreichend der Kreis der Bezugsberechtigten gefasst werden soll. Erhält nur der Gastronom den Verlust seiner Einnahmen prozentual erstattet oder auch sein angeschlossenes Lieferantennetzwerk? Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, die indirekt aber in vergleichbarer Weise durch die Anordnungen betroffen sind, sollen laut Mitteilung des BMF "zeitnah geklärt" werden.
Öffnung des KfW-Schnellkredits für Kleinstunternehmen
Ebenfalls als Teil der außerordentlichen Wirtschaftshilfe geplant ist die Öffnung und Anpassung des KfW- Schnellkredits für Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. Bislang stand das Förderinstrument der KfW ausschließlich mittelständischen Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern zur Verfügung, die mindestens seit 1. Januar 2019 am Markt aktiv gewesen sein mussten. Auch durften Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten gewesen sein, sondern mussten zu diesem Zeitpunkt geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufweisen.
Bis zu 300.000 Euro Kreditsumme ohne Risikoprüfung
Laut Meldung des Bundesfinanzministeriums müssen Antragsteller für einen KfW-Schnellkredit auch im Zuge der geplanten Anpassungen weiterhin grundsätzlich "geordnete wirtschaftliche Verhältnisse" aufweisen. Traf bzw. trifft dies abseits der Corona-Krise auf dein Unternehmen zu, kannst du in Abhängigkeit deines Umsatzes im Jahr 2019 bis zu 300.000 Euro Kreditsumme - ohne Risikoprüfung - unbürokratisch und schnell über deine Hausbank erhalten. Der KfW-Schnellkredit wird mit einer 100%-igen Haftungsfreistellung durch den Bund vergeben. Die genauen Details zur Antragstellung im angepassten Verfahren liest du nach Bekanntwerden hier.
10 Milliarden Euro für 4 Wochen Lockdown light
Die Kosten für diesen Sprint beziffert Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf bis zu zehn Milliarden Euro. Die Gelder sollen aus bislang nicht abgerufenen, aber bereits vom Bundestag genehmigten Hilfen bereitgestellt werden.
Wenn Sie nur einen Hammer haben, sieht alles aus wie ein Nagel?
Bund und Länder seien sich darüber im Klaren, dass neuerlich "sehr einschneidende Maßnahmen" beschlossen wurden. Gleichzeitig verteidigen die Verantwortlichen die gefundenen Konpromisse als "notwendig" und mit Blick auf das zu schützende Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung sowie zur Abwendung noch umfangreicherer wirtschaftlicher Schäden im Falle einer unkontrollierten pandemischen Entwicklung als "verhältnismäßig".
An dieser vermeintlich unumstößlichen Wahrheit üben Ärzteverbände Kritik. In einer gemeinsamen Pressekonferenz noch im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz erinnerte die Kassenärztliche Bundesvereinigung in Anwesenheit der Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit an die Notwendigkeit einer langfristigen Strategie zum Umgang mit dem Virus und präsentierte ein diesbezügliches Positionspapier.
Gebote statt Verbote, kontinuierliche Aufklärungsarbeit durch Vertrauens- und Respektspersonen in einzelnen Zielgruppen, die Anerkennung und Adressierung kultureller Besonderheiten, ein Schärfen der Eigenverantwortung unter Risikogruppen bei gleichzeitig praktizierter Solidarität zwischen den Generationen sind nur einige der genannten Vorschläge, die mit vielen praktischen Fallbeispielen untermauert wurden.
Die anwesenden Ärzte mahnten den "dauerhaften Zustand der Erregung" in dem sich Deutschland seit nunmehr 8 Monaten befände nicht weiterhin mit einem Vokabular der Angst zu befeuern. Drohungen und Angst seien schlechte Faktoren, um die Compliance eines "Patienten" zu befördern.
COVID-19 kennt kein Weihnachten
Seit längerem fordern Vertreter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN außerdem die Zusammensetzung eines Pandemierates zur breiten Diskussion unterschiedlicher wissenschaftlicher Positionen als Basis für eine Konsensfindung in der aktuellen Pandemie.
Schmidt-Chanasit erinnert zurecht an die bislang nur unzureichend aufgezeigte langfristige Strategie zum Umgang mit COVID-19 und wundert sich über die mediale Kopplung von Schutzmaßnahmen und Weihnachtsfesterhalt, wie sie Merkel, Laschet & Co. bei aller Umsicht eben auch praktizierten: "Wir werden noch nächstes Weihnachten und übernächstes Weihnachten damit zu tun haben."
Ob die von den Auswirkungen der Infektionsschutzmaßnahmen besonders betroffenen kleinen Unternehmen und Soloselbstständigen unter Beibehalt der aktuellen Strategie bis dahin durchhalten werden, bleibt ungewiss.
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