Kommt bald die Rentenversicherungspflicht für Selbständige?
Die erste offizielle Verlautbarung einer geplanten Rentenversicherungspflicht für Selbständige unternahm Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im April 2019 gegenüber der Rheinischen Post. Damit Selbständige im Alter eine ausreichende Versorgung erfahren, müssten sie laut Heil im Vorfeld entweder
- „Mitglied in einem Versorgungswerk sein wie beispielsweise Ärzte und Anwälte, durch die Rürup-Rente abgesichert sein oder eben in die gesetzliche Rentenversicherung eintreten."
- Diese Maßnahme setzt Heil gleichbedeutend mit der Einführung seiner geplanten Grundrente, die ebenfalls unter dem Aspekt einer gesamtgesellschaftlichen Altersabsicherung den Kreis der Selbständigen einbeziehen soll.
Der Entwurf betrifft im Kern alle Selbständigen gemäß Sozialversicherungsrecht. Dazu zählen u.a.
Der Vorstoß von Bundesarbeitsminister Heil ist kein neuer. Bereits im Koalitionsvertag zwischen CDU, CSU und SPD ist das Ziel der Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung mit Opt-out-Lösung und Altersvorsorgepflicht bezeichnet. Die Frage ist nun, wie der Gesetzgeber diese Causa konkretisiert und nach abschließender Diskussion mit Verbänden und Gremien umsetzen wird.
Einige Inhalte und Forderungen sind in der Diskussion um die Novelle bereits bekannt:
- Plan der Wahlmöglichkeit zwischen Einzahlungen in die GRV oder in eine andere Art der Altersvorsorge (z.B. Form der betrieblichen Altersvorsorge; private Versicherungspolice)
- Selbstständige dürfen sich freiwillig gesetzlich rentenversichern; Dr. Gunnar Roloff, Fachanwalt für Arbeitsrecht fasst die diesbezüglichen Vorteile zusammen: „Das Gute dabei: Sie können ihre Beitragshöhe selbst bestimmen. Sie können maximal 14.954,40 Euro oder Minimum 1.004,40 Euro im Jahr 2019 einzahlen. Das kann für diejenigen interessant sein, die während ihrer Ausbildung oder als frühere Angestellte schon einmal Rentenpunkte gesammelt haben.“
Selbständige, die bereits Pflichtbeiträge in Versorgungswerke oder die landwirtschaftliche Alterskasse zahlen, bleiben von der Neuregelung unberührt.
Darüber hinaus gelten die abweichenden Bedingungen für Selbständige mit nur einem Arbeitgeber, die bereits jetzt in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.
Wie die Handwerkerordnung Einbezug finden wird, bleibt abzuwarten. Aktuell können selbständige Gewerbetreibende in zulassungspflichtigen Handwerksberufen nach 18 Jahren geleisteter Beitragspflicht in der deutschen Rentenversicherung hiervon befreit werden.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßt den Vorstoß prinzipiell und betonte die Notwendigkeit der Wahlfreiheit zwischen gesetzlichen Maßnahmen und privater Vorsorge für Unternehmer, sowie Einbezug der besonderen Regelungen für Handwerker. Der Bayrische Handwerkstag erinnerte außerdem an die Selbständigen, die bereits Altersvorsorge leisten und wünscht sich hier Erleichterungen bzw. Übergangsvorschriften.
Die deutsche Rentenversicherung ist eine Säule der Solidargemeinschaft, die als Generationenvertrag zur Altersabsicherung bereits 1889 in Deutschland eingeführt wurde. Sie ist prinzipiell verpflichtend für alle abhängig Beschäftigten. Für Selbständige gelten teilweise Verpflichtung nach Berufsgruppen oder die Möglichkeit der freiwilligen Verpflichtung bzw. Einzahlung.
Rentenversicherungspflicht für Selbständige gilt für folgende Berufsgruppen und Personenkreise:
- selbständige Lehrer und Pflegepersonen, Handwerker im zulassungspflichtigen Gewerbe (Anlage A der Handwerksberufe), Tagesmütter und Hebammen, Seelotsen, Künstler und Publizisten sind in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.
- Solo-Selbstständige, die ohne angestellte Mitarbeiter tätig sind und vorwiegend für einen Auftraggeber arbeiten (arbeitnehmerähnliche Selbständige) sind in der GRV pflichtversichert.
Beachten Sie, dass Künstler und Publizisten sowie Hausgewerbetreibende nur die Hälfte der Beiträge selbst zahlen müssen, die andere Hälfte übernimmt die Künstlersozialkasse bzw. der Auftraggeber.
*Zu den teils besonderen Bedingungen für Handwerker zwischen Pflicht, Freiwilligkeit und Befreiung von der Versicherungspflicht hat die Deutsche Rentenversicherung in Ihrem Publikations-PDf auf S. 12-15 gesondert Stellung bezogen.
**Beachten Sie im Zuge der Meisterpflicht-Debatte außerdem folgende Regel: Wenn Sie „aufgrund einer Eintragung eines heute nicht mehr zulassungspflichtigen Handwerksbetriebes bereits vor 2004 versicherungspflichtig waren, sind Sie es auch weiterhin."
Von der Versicherungspflicht befreit mit Option auf freiwillige Einzahlung sind folgende Berufsgruppen und Personenkreise:
- zulassungsfreie Handwerksberufe
- selbständig Tätige in geringfügigem Umfang (450EUR-Grenze)
- Rentner in außerdem geringfügiger Selbständigkeit
- selbständige Handwerker nach 18 Jahren geleisteter Beitragspflicht
- Existenzgründer in den ersten drei Jahren nach Gründung
Sie haben zwei Möglichkeiten der freiwilligen Teilhabe am System:
1. Sie stellen einen Antrag auf Versicherungspflicht
innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme Ihrer Tätigkeit; Die Versicherungspflicht beginnt mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen hierfür vorliegen, sofern Sie den Antrag innerhalb von drei Monaten stellen. Stellen Sie den Antrag später, beginnt die Versicherungspflicht einen Tag, nachdem Ihr Antrag bei der Rentenversicherung eingeht.
2. Sie zahlen freiwillig Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung
Hierfür gibt es in Abhängigkeit ihres tatsächlichen Einkommens verschiedene untenstehend gelistete Modelle.
- selbständige Handwerker nach 18 Jahren geleisteter Beitragspflicht
- Existenzgründer in den ersten drei Jahren nach Gründung
Der Beitragssatz basiert auf dem aktuellen Beitragssatz (derzeit 18,6%) und der Bezugsgröße, die jährlich für West und Ost neu festgelegt wird.
Beiträge können nach Vorlage der Voraussetzungen wie folgt gezahlt werden:
1. Regelbeitrag
- ohne Rücksicht auf das tatsächliche Arbeitseinkommen
- beträgt im Jahr 2019 monatlich 579,39 EUR (West) und 533,82 EUR (Ost)
2. Halber Regelbeitrag für Einsteiger
- Innerhalb der ersten drei Kalenderjahre nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit
- beträgt im Jahr 2019 monatlich 289,70 EUR (West) und 266,91 EUR (Ost)
3. Einkommensgerechter Beitrag
- niedrigere oder höhere Beiträge als der Regelbeitrag können gezahlt werden, wenn ein entsprechend abweichendes Arbeitseinkommen anhand des letzten Einkommensteuerbescheides nachgewiesen werden kann
- 2019 liegen diese Beträge bei mindestens 83,70 Euro und höchstens 1246,20 EUR (West) und mindestens 83,70 EUR bzw. höchstens 1143,90 EUR (Ost)
Unter Arbeitseinkommen versteht der Gesetzgeber „den Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit laut Einkommensteuerrecht. Dies kann der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des abgelaufenen und des vorangegangenen Kalenderjahres sein. Alternativ kann das Arbeitseinkommen aber auch als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben verstanden werden.“
Das geplante neue Gesetz zur verpflichtenden Altersvorsorge für Selbständige soll die immer noch weit verbreitete schlechte Absicherung von Unternehmern im Alter verbessern. Die Bundesregierung will außerdem die Gesetzliche Rentenversicherung als entsprechendes Praxismodell für Selbständige attraktiver machen. Für jene mit anteilig mehrjährigen Angestelltenverhältnissen vor ihrer unternehmerischen Tätigkeit kann ein genauer Blick auf die Zahlen dienlich sein. Bisherige Sonderregelungen für Berufs- und Personenkreise und deren Inbezugnahme innerhalb des neuen Gesetzes ist aktuell noch in der Verhandlung der beteiligten Interessengruppen. Über diesbezügliche Beschlussfassungen und entsprechende Neuerungen informieren wir Sie aktuell.
Bild-Urheber:
iStock.com/Wavebreakmedia